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Literatur und Kunst. 
des Tages und in der tätigen Sorge für morgen sein Glück sieht, dann kann 
jeder auf eigene Weise gut und glücklich jein ohne den Mitmenschen zu schädigen 
und zu vernachlässigen: 
Menschen lernten wir kennen und Nationen; so laßt uns, 
Unser eigenes Herz kennend, uns dessen erfreun. 
Alfred Biese, Deutsche Literaturgeschichte. Müncheu, Beck, 1911*, S. 100. 
36. Webers Dreizehnlinden. 
Ernst, fast schwermütig ist die Lebensauffassung des westfälischen Dichters. 
Er ist darin einem andern Dichterarzte, dem schwäbischen Jnstinns Kerner, ver¬ 
gleichbar. So ein Arzt hat eben gar vielfach Gelegenheit das Leben des Menschen 
in seiner geistigen und körperlichen Gebrechlichkeit kennen zu lernen. In des 
Priors Lehrsprüchen in „Dreizehnlinden", den Weber überhaupt zum Träger 
seiner eigenen Ideen gemacht zu haben scheitck, spricht sich die Quintessenz der 
Weberschen Lebensauffassung in den Worten aus: 
Auf der Heid' ein Wolkenschatten Zittert! in des Lebens Mitte 
Fährt dahin das Menschenleben: Sind vom Tode wir umgeben. 
Eine stille Wehmut zieht sich wie ein roter Faden durch all seine Werke. Aber 
Weber hatte zwei gute Talismane gegen Anwandlungen der Verzagtheit. Er, der da 
meinte: „Der beste Orden, den ich weiß, ist eine Hand voll Schwielen", er hat gelernt: 
Daß auf der Fahrt im wüsten Lebensmeere 
Allein Gebet und Arbeit Trost gewähre! 
Das Om et labora! Bete und arbeite! waren die zuverläßlichen Anker, die sein 
Lebensschifflein in allen Stürmen festeten. 
Der Dichter war bereits 60 Jahre alt, als der Plan seiner Dichtung in 
ihm zur Reife kam, und 65, als er sein Epos der Öffentlichkeit übergab. Er 
hatte vorher durch Übersetzung von Tennysonschenff Gedichten sich geübt und ge¬ 
stählt. Seine eigenen Gedichte, von denen viele aus seiner Jugendzeit stammten, 
gab er wie Scheffel sein „Gaudeamus erst nach seinem größeren Werke heraus, 
ebenso einen Kranz von „Marienblumen", welche er zu Zeichnungen der Frau 
Ittenbach gedichtet hatte. 
Der Dichter von „Dreizehnlinden" ist sich stets der Schillerschen Auffassung 
von der Stellung des Dichters als Lehrer seines Volkes bewußt und wendet sich 
gegen die Schäden unseres modernen Lebens ohne sich deshalb in die Reihe der 
geifernden Tendenzdichter zu stellen. Der Uhu, der gelbe Neidhart, der, jedoch 
in ganz selbständiger Weise, eine Nachbildung des Scheffelschen Katers Hiddigeigei 
genannt werden kann, ist die Personisikation des ungläubigen materialistischen 
Zeitgeistes. „Er ist", wie Keiter sagt, „der Geist, der stets verneint. Ideale 
Bestrebungen verlacht er; die christliche Weltanschauung übergießt er mit einer 
Lauge bittersten Hohnes; aber die Gesinnungslosigkeit, das Verkaufen der eigenen 
0 Tennyson, berühmter englischer Dichter, meisterhafter Schilderer des Natur- und Seelen¬ 
lebens, gest. 1892.
	        
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