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Episches.
Keine Stunde hielt es an,
Bis die Mühle borst in Trümmer;
Doch den kecken Reitersmann
Sah man von der Stunde nimmer.
Volk und Wagen im Gewühle
Kehren heim von all dem Graus;
Feuerreiter, wie so kühle
Reitest du in deinem Grab!
Nach der Zeit ein Müller fand
Ein Gerippe samt der Mützen
Aufrecht an der Kellerwand
Auf der beinern' Mähre sitzen:
Auch das Glöcklein klinget aus:
Husch! da fällt's in Asche ab.
Hinterm Berg,
hinterm Berg
Brennt's! —
Ruhe wohl,
Ruhe wohl
Drunten in der Mühle!
Eduard Mörike. Werke. Herausgegeben von Harry Maync. Leipzig und Wien,
Bibliographisches Institut. I. S. 56.
22. Der Heideknabe.
Der Knabe träumt, man schicke ihn fort
Mit dreißig Talern zum Heide-Ort,
Er ward drum erschlagen am Wege
Und war doch nicht langsam und träge.
Noch liegt er im Angstschweiß, da rüttelt ihn
Sein Meister und heißt ihm sich anzuziehn
Und legt ihm das Geld auf die Decke
Und fragt ihn, warum er erschrecke.
„Ach Meister, mein Meister, sie schlagen mich tot,
Die Sonne, sie ist ja wie Blut so rot!"
„Sie ist es für dich nicht alleine,
Drum schnell, sonst mach' ich dir Beine!"
„Ach Meister, mein Meister, so sprachst du schon.
Das war das Gesicht, der Blick, der Ton,
Gleich greifst du" — zum Stock, will er sagen,
Er sagt's nicht, er wird schon geschlagen.
„Ach Meister, mein Meister, ich geh', ich geh',
Bring' meiner Frau Mutter das letzte Ade!
Und sucht sie nach allen vier Winden,
Am Weidenbaum bin ich zu finden!"
Hinaus aus der Stadt! Und da dehnt sie sich,
Die Heide nebelnd, gespenstiglich
Die Winde darüber sausend,
„Ach, wär' hier ein Schritt wie tausend!"
Und alles so still und alles so stumm,
Man sieht sich umsonst nach Lebendigem um,
Nur hungrige Vögel schießen
Aus Wolken um Würmer zu spießen.
Er kommt ans einsame Hirtenhaus,
Der alte Hirt schaut eben heraus,
Des Knaben Angst ist gestiegen,
Am Wege bleibt er noch liegen.