Geschichte.
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Staat, und wenn sie sich darbot, konnte er sich nicht entschließen sie einzunehmen;
mit tiefer Erbitterung nahm er es auf, wenn Personen und Gesetze nicht unbe¬
dingt vor ihm sich beugten, und doch trat er selbst mit nicht bloß affektierter
Bescheidenheit überall auf als einer von vielen Gleichberechtigten und zitterte
vor dem bloßen Gedanken etwas Verfassungswidriges zu beginnen. Also be¬
ständig in gründlicher Spannung mit und doch zugleich der gehorsame Diener
der Oligarchie, beständig gepeinigt von einem Ehrgeiz, der vor seinem eigenen
Ziele erschrickt, verfloß ihm in ewigem innerem Widerspruch freudelos sein viel¬
bewegtes Leben.
II.
Ebensowenig als Pompejus kann Markus Crassus zu den unbedingten
Anhängern der Oligarchie gezählt werden. Er ist eine für diese Epoche höchst
charakteristische Figur. Wie Pompejus, dem er im Alter um wenige Jahre
voranging, gehörte auch er zu dem Kreise der hohen römischen Aristokratie,
hatte die gewöhnliche standesmäßige Bildung erhalten und gleich Pompejus
unter Sulla im italischen Kriege mit Auszeichnung gefochten. An geistiger Be¬
gabung, literarischer Bildung und militärischem Talent weit zurückstehend hinter
vielen seinesgleichen, überflügelte er sie durch seine grenzenlose Rührigkeit und
durch die Beharrlichkeit, mit der er rang alles zu besitzen und alles zu bedeuten.
Vor allen Dingen warf er sich in die Spekulation. Güterkäufe während der
Revolution begründeten sein Vermögen; aber er verschmähte keinen Erwerbs¬
zweig : er betrieb das Baugeschäft in der Hauptstadt ebenso großartig wie vor¬
sichtig; er ging mit seinen Freigelassenen bei den mannigfaltigsten Unternehmungen
in Kompagnie; er machte in und außer Rom, selbst oder durch seine Leute, den
Bankier; er schoß seinen Kollegen im Senat Geld vor und unternahm es für
ihre Rechnung, wie es siel, Arbeiten auszuführen oder Richterkollegien zu be¬
stechen. Wählerisch im Prositmachen war er eben nicht. Schon bei den sulla-
nischen Achtungen war ihm eine Fälschung in den Listen nachgewiesen worden,
weshalb Sulla sich von da an in Staatsgeschäften seiner nicht weiter bedient
hatte. Übrigens vermied er offene Kollisionen mit der Kriminaljustiz und lebte
als echter Geldmann selbst bürgerlich und einfach. Auf diesem Wege ward
Crassus binnen wenig Jahren aus einem Mann vom gewöhnlichen senatorischen
der Herr eines Vermögens, das nicht lange vor seinem Tode nach Bestreitung
ungeheurer außerordentlicher Ausgaben sich noch auf 170 Mill. Sesterzen
(12 Mill. Taler) belief: er war der reichste Römer geworden und damit zu¬
gleich eine politische Größe. Wenn nach seiner Äußerung niemand sich reich
nennen durfte, der nicht aus seinen Zinsen ein Kriegsheer zu unterhalten
vermochte, so war, wer dies vermochte, kaum noch ein bloßer Bürger. In der
Tat war Crassus' Blick auf ein höheres Ziel gerichtet als auf den Besitz der
gefülltesten Geldkiste in Rom. Er ließ es sich keine Mühe verdrießen seine
Verbindungen auszudehnen. Jeden Bürger der Hauptstadt wußte er beim
Namen zu grüßen. Keinem Bittenden versagte er seinen Beistand vor Gericht.