28. Ansprache des Fürsten Bismarck an die 6000 Studenten. 211
geschlossen; und mein alter Herr hat lange gezögert, ehe er seine Neichsunab-
hängigkeit bereitwillig aufgab. Also seien wir denn denen dankbar, die für das
Reich Opfer gebracht haben, die den Dynastieen schwer fallen mußten nach der
ganzen deutschen tausendjährigen Geschichte. Seien wir dankbar auch der
Wissenschaft und ihren Pflegern, daß sie auf ihrem Herd das Feuer der Ein¬
heit erhalten haben, bis die Zeit kam, da ihm wieder Brandstoff zugeführt
wurde und es höher aufstammte und uns eine befriedigende Leuchte und Wärme
gewährte. Also ich möchte vor allen Dingen — Sie werden mir sagen, ich
bin ein alter Konservativer — mich dahin zusammenfassen: Halten wir, was
wir haben, vor allen Dingen ehe wir Neues versuchen. Fürchten wir uns auch
nicht vor denjenigen, die uns das nicht gönnen, was wir haben, es sind Kämpfe
in Deutschland ja immer gewesen, und die heutigen Fraktionsspaltungen sind
ja doch nur die Nachwehen der alten deutschen Kämpfe in den Städten zwischen
den Geschlechtern und den Zünften, in den Bauernkriegen zwischen den Besitzenden
und den Nichtbesitzenden, in den Religionskriegen, im dreißigjährigen Kriege.
Alle diese tiefgehenden, ich möchte sagen geologischen Spaltungen im deutschen
Boden lassen sich nicht vertilgen mit einem Schlage. Darum müssen wir mit
unseren Gegnern Nachsicht haben, wenn wir auch nicht darauf verzichten, unser¬
seits zu fechten. Das Leben ist Kampf in der ganzen Schöpfung, und ohne
innere Kämpfe kommen wir zuletzt beim Chinesentum an und versteinern. Ohne
Kampf kein Leben, nur muß man in allen Kämpfen, sobald die nationale Frage
auftaucht, doch immer einen Sammelpunkt haben und das ist für uns das
Reich, nicht wie es vielleicht gewünscht werden könnte, sondern wie es besteht,
das Reich und sein Kaiser, der Vertreter dafür ist, und deshalb bitte ich Sie,
mit mir einzustimmen auf das Wohl von Kaiser und Reich, und mögen Sie
anno 1950, so viele von Ihnen noch leben, mit voller Zufriedenheit das Hoch
mit ausbringen: „Kaiser und Reich, sie leben hoch!" (Jubelnder Beifall, Hoch¬
rufe und Schlägerklirren.)