Full text: Deutsches Lesebuch für die Obersekunda der höheren Lehranstalten

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Zur Kulturgeschichte. 
Köln hinauf — und Magdeburg liegt ebensowohl in einer viel fruchtbareren 
Gegend, wie au einem viel größeren Strome, wie endlich mehr in der Mitte 
von Deutschland als Berlin. Immerhin ist auch die Spree kein verächtlicher 
Wasserlauf, sondern für den Handel besonders gut zu gebrauchen wegen 
seines Wasserreichtums und wegen feines geringen Gefälles, das eine leichte 
Bergfahrt ermöglicht. Berlin liegt nun au derjenigen Stelle, wo die Spree 
für die Verbindung von Ost llach West den besten Übergang bietet. Hier 
ist der natürliche Mittelpllnkt der Mark Brandenburg, und die schon 
erwähnten Kanäle, die der große Kurfürst und der große König bauten, 
thaten das übrige, um Berlin zu einem Central-Handelspunkt für ein sehr 
weites Gebiet zu machen. Sehr lvichtig war endlich, daß die Kurfürsten 
von Brandenburg naturgemäß hier im Mittelpunkt ihrer Landschaft residierten, 
daß hier eine große Hofhaltung sich entfaltete, endlich' ein zahlreiches 
Beamtentum und eine bebentenbe Garnison die Stadt vergrößerten und einen 
kaufkräftigen Kundenkreis darboten. Als der Große Kurfürst nach Berlin 
kam, war es ein Städtchen von 6000 Einwohnern. Zn Beginn unseres 
Jahrhunderts hatte es nahezu 200 000 Einwohner und war damit schon, 
wenn wir von Wien absehen, die bei weitem größte Stadt Deutschlands. 
Als König Wilhelm gnr Regierung kam, hatte Berlin etwa eine halbe Million 
Einwohner, aber als er starb, da hatte es das Dreifache, und jetzt hat es 
nahezu zwei, mit den Vororten weit über zwei Millionen Einwohner. 
Wie ist das gekommen? Von neuem hat die Politik mit einer ganz 
besonderen Naturbevorzugung, die Berlin eigentümlich ist, zusammengegriffen. 
Berlin liegt mitten in einer Ebene, einer zwar ganz imfruchtbaren, aber 
doch einer Ebene, und das erwies sich als ein großer Vorzug, als die 
Eisenbahnen aufkamen. Zuerst war das Publikum den Eisenbahnen gegen¬ 
über sehr mißtrauisch, und Preußen hat auf diesem Gebiet nicht den Vortritt 
gehabt.. Die erste Eisenbahn war die von Nürnberg nach Fürth, dann kam 
die vwl Leipzig nach Dresden. Als man nun aber erkannte, daß der 
Eisenbahnban etwas sehr Vorteilhaftes sei, da fanden sich sehr schnell eine 
Reihe von Privatgesellschaften, die auf Aktien Eisenbahnen nach Berlin bauen 
wollten, erstens weil Berlin schon ein großer Mittelpunkt war, und zweitens, 
weil von Berlin die Eisenbahnen sich sehr billig bauen ließen und eine Rente 
versprachen. Frankfurt a. M. und Köln waren Städte, die in gewisser 
Beziehung damals noch mit Berlin wirtschaftlich konkurrieren konnten, aber 
nicht weit von diesen Städten begannen Gebirge, die dem Eisenbahnbau 
große technische Schwierigkeiten in beit Weg legten. Solche Schwierigkeiten 
gab es irr der Mark nicht, und sehr schnell bildeten sich Gesellschaften, die 
für den Ban der Süden Berlin-Potsdam — Magdeburg, Berlin — Halle — 
Leipzig — Dresden, Berlin — Stettin, Berlin — Hamburg das nötige 
Kapital zusammenbrachten, und diese natürliche Bewegung zn Gunsten Berlins 
wurde sofort wieder vom Staate unterstützt. Der Staat erkannte, welch eine
	        
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