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der Kampf nicht ist ums Vaterland?" Ein Strahl von Schillers hohem
Geiste erleuchtete seine Seele und verlieh ihm die Kraft hinreißenden
Gesanges. — Ihn und alle Mitbewerber jedoch übertraf Ernst Moritz
Arndt an augenblicklicher wie an dauernder Wirkung. In Prosa wie in
Versen griff er den Deutschen ans Herz, ans Gewissen. Er war ein
Volksredner mit der Feder. Sein Ziel war dasselbe wie Scharnhorsts:
„Schandeketten zu zerbrechen und den welschen Trug zu rächen." Bei
dem Frieden in Lüneville erwachte in ihm der patriotische Zorn; 1803
schrieb er unter dem Titel: „Germanien und Europa" über die Welt¬
lage von 1802; drei Jahre später begann er seinen „Geist der Zeit", und
1812 trat er an die Seite des Freiherrn von Stein in den Dienst der
europäischen Erhebung gegen Napoleon. Da gingen viele Flugschriften
von ihm aus: „Der Katechismus für den deutschen Kriegs- und Wehr-
mann", „Was bedeutet Landsturm und Landwehr", „Der Rhein Deutsch¬
lands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze", „Über Preußens
rheinische Mark" u. a. m. Alle sprudeln von Leben und Feuer, von Glauben
und Hoffnung; die erste insbesondere großartig in ihrem biblischen Erzähl-
und Prophetenton; alle erfüllt von Begeisterung für Preußen, dem Arndt,
obgleich in dem damals noch schwedischen Rügen geboren, mit ganzer
Seele anhing. Um jene Zeit verfaßte er seine schönsten Lieder. Viele
Formen standen ihm zu Gebote, Oden, Hymnen, Sonette; aber die
deutschen Helden Schill, Dörnberg, Gneisenau, Chasot besang er im Stil
der älteren historischen Volkslieder. Gern setzte er mit Fragen an: „Was
ist des deutschen Vaterland?" Oder, indem er Scharnhorst als den Waffen¬
schmied der deutschen Freiheit feierte: „Wem gehört der höchste Preis?"
Oder in dem Lied ans Blücher, wo wir in bestimmter Scene den reiten¬
den Feldmarschall vor uns sehen: „Was blasen die Trompeten? Husaren
heraus!" In durchgeführter Frage der Harrenden und Antwort des Boten,
wie ein altdeutsches Spielmannslied, beschrieb er die Leipziger Schlacht.
Oder er reihte nach älterer Volksweise Lehrsprüche aneinander: „Deut¬
sches Herz verzage nichtI" Auch dies wohl mit Frageform: „Wer ist
ein Mann? Wer beten kann."