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II. Aus betn Menschenleben.
hastig, du dauerst mich," versetzte der Wolf; „und ich finde mich in
meinem Gewissen verbunden, dich von diesen Schmerzen zu befreien."
Kaum ward das Wort gesagt, so ward der Esel zerrissen.
G. E. Lessing.
17. Per Zrverg und die Gerstenähre.
Ein wohlhabender Bauer stand in seiner Scheune und schaute be¬
haglich den mächtigen Segen an, den ihm ein günstiger Sommer ge¬
bracht hatte. Bis an den Giebel hinan war die Schelme gefüllt mit
goldenen Garben, und das nicht allein — ans dem Felde standen auch
noch einige stattliche Schober, die keine Unterkunft mehr hatten finden
können; so reich war die Ernte gewesen. Dabei war das Stroh so
lang und die Ähren waren so voll wie lange nicht.
Als er nun so stand und an die Wagen dachte, die er mit vollen
Kornsäcken beladen an den Müller liefern würde, und im Geiste schon die
vielen blanken Taler in seinem Kasten klingen hörte, da raschelte es
ganz leise in einem Hansen Stroh, der auf der Tenne lag. Der Bauer
glaubte, es sei eine Maus, und packte seinen Stock schon fester, um ihr
den Garaus zu machen; allein er verwunderte sich fast, da statt eines
solcherl Tierchens ein Etwas, so leuchtend rot wie Klatschmohn, aus dem
Stroh hervorkam. Nun arbeitete es sich ganz zum Vorschein iiub stand
da, nicht größer als eine Maus, die ans zwei Beinen geht. Es war ein
Zwerg in grauer Kleidung, mit einem roten Käppchen ans dem Haupte.
Dieses lüftete der kleine Wicht gar höflich und sprach mit einem winzigen
Stimmlein: „Herr Bauer, ich habe ein großes Anliegen an Euch."
„Nun, was willst du denn, kleiner Mann?" fragte dieser. Das
Zwerglein sprach: „Reichtum und Fülle ist bei Euch eingekehrt. Wolltet
Ihr nun die große Güte haben, alltäglich um diese Zeit mir von Eurem
Überfluß eine Gerstenähre zu schenken, so soll dies nicht zu Eurem
Schaden sein." Der Bauer, der wohl wußte, daß man gut daran tut,
das kleine Volk sich freundlich zu-erhalten, sprach: „Gewiß, das soll
geschehen; kommt nur allezeit um die Mittagstnnde, so soll Euch werden,
was Ihr begehret."
Dann trat er zu einem Bund Getreide, zog eine schöne Gersten¬
ähre hervor und reichte sie dem Männlein hin. Dieses wendete sich
aber mit trübseliger Gebärde gegen das Häuflein Stroh, aus dem es
hervorgekommen war, und sprach: „Ihr habt diesen großen Berg vor
unsere Höhle getürmt. So er dort liegen bleibt, vermag ich nicht mit
Eurer freundlichen Gabe unsere Wohnung zu gewinnen!"
„Nun wenn's weiter nichts ist!" sagte der Bauer und schob mit
dem Fuße das Stroh beiseite. Es zeigte sich nun an der Wand eine
Öffnung wie ein großes Mauseloch. Das Wichtlein lüftete wieder sein