Full text: [Teil 3 = 6., 7. u. 8. Schulj] (Teil 3 = 6., 7. u. 8. Schulj)

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so kannst du doch ihr frühes Grab 
mit frischen Blumenkränzen schmücken. 
Ein Muttergrab, ein heilig Grab, 
für dich die ewig heilge Stelle. 
O wende dich an diesen Ort, 
wenn dich umtost des Lebens Welle. 
3. Die gute Mutter. 
Johann Peter Hebel. 
Sämtliche poetische Werke. Herausgegeben von Ernst Keller. Leipzig 1905. IV. B. S. 78. 
,.^Jm Jahre 1796, als die französische Armee nach dem Rückzug 
aus Deutschland jenseits am Rheine lag, sehnte sich eine Mutter in der 
Schweiz nach ihrem Kinde, das bei der Zlrmee war und von dem sie 
lange nichts erfahren hatte, und ihr Herz hatte daheim keine Ruhe 
mehr. „Er muß bei der Rheinarmee sein", sagte sie, „und der liebe 
Gott, der ihn mir gegeben hat, wird mich zu ihm führen." Und als 
sie auf dem Postwagen zum St. Johannistor in Basel heraus und 
an den Rebhäusern vorbei ins Sundgau gekommen war, treuherzig und 
redselig, wie alle Gemüter sind, die Teilnahme und Hoffnung bedürfen, 
die Schweizer ohnedem, erzählte sie ihren Reisegefährten bald, was 
sie auf den Weg getrieben hatte. „Find ich ihn in Kolmar nicht, so 
geh ich nach Straßburg, sind ich ihn in Straßburg nicht, so geh ich 
nach Mainz." Die andern sagten das dazu und jenes, und einer fragte 
sie: „Was ist denn euer Sohn bei der Armee? Major?" Da wurde 
sie fast verschämt in ihrem Inwendigen. Denn sie dachte, er könnte 
wohl Major sein oder so etwas, weil er immer brav war; aber sie 
wußte es nicht. „Wenn ich ihn nur finde", sagte sie, „so darf er auch 
etwas weniger sein; denn er ist mein Sohn." Zwei Stunden herwärts 
Kolmar aber, als schon die Sonne sich zu den Elsässer Bergen neigte, 
die Hirten trieben heim, die Kamine in den Dörfern rauchten, standen 
die Soldaten in dem Lager, nicht weit von der Straße, partien¬ 
weise mit dem Gewehr beim Fuß, und die Generale und Obersten 
standen vor dem Lager beisammen und diskurierten miteinander, und 
eine junge weißgekleidete Person von feiner Bildung stand auch dabei 
und wiegte auf ihren Armen ein Kind. Die Frau im Postwagen sagte: 
„Das ist auch keine gemeine Person, da sie nahe bei den Herren steht. 
Was gilt's, der, welcher mit ihr redet, ist ihr Mann." Der geneigte 
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