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tor wurde der Platz des Verkehrs mit den Landbewohnern, und wenn sich
um den Markt am Fuße der Burg eine ansehnliche Bevölkerung ange¬
siedelt hatte, so umschloß mau dieselbe mit einem zweiten Mauerkreise, und
so wurde die ursprüngliche Stadt im Gegensatz zu der unten neu ent¬
standenen die Oberstadt oder Akropolis.
Athen ist wie Rom eine Hügelstadt, oberhalb einer fruchtbaren Ebene
zwischen felsigen Höhen gelagert. Man wählte zur Burg nicht den höchsten
der Felshügel, sondern denjenigen, der oben die größte Fläche, rings
umher die steilsten Wände darbot. Nach Norden, Süden und Osten senkt
sich der Burgfelsen mit unzugänglichen Abhängen in das Tal; nur gegen
Westen dacht er sich allmählich ab, nur hier liegt über seinem Fuße eine
breite Erdlage, auf welcher der Weg zu der Hochfläche hinaufführt. Auf
dem geebneten Burgfelsen nun bauten die ältesten Athener ihre Heiligtümer,
die hier wie überall in Griechenland den Mittelpunkt der Niederlassung
bildeten. Es hatte aber jeder Stamm eine Gottheit, die er vor allen
andern verehrte. Dieser Stammheros der Athener war Erechtheus; seine
göttliche Pflegerin aber, Athene, die Tochter des Zeus, tvar die Stamm-
und Burggöltiu. Für ihr Bild gründete man zuerst eine heilige Stätte.
Zur Zeit der Perserkriege drangen die Barbaren auf heimlichem Wege
in die Burg und verbrannten die Tempel und Altäre. Da schien es,
als habe Athene ihre Stadt verlassen und ihre Burg preisgegeben; doch
siehe, am Tage nach dem Brande treibt zum schönen Wahrzeichen der
heilige Olbaum wieder frische Zweige, und lorbeerbekränzt tragen die Athener
das Bild ihrer Göttin an die alte geweihte Stätte, von wo nun ihr Segen
reicher als jemals zuvor auf die Stadt der Athener uiederströmte.
Die Herrschergewalt war inzwischen von der Burg herabgestiegen, das
ganze Staatsleben hatte seinen Sitz in der Unterstadt, die Burg war den
Göttern geräumt. Jetzt galt es, von allen errungenen Siegen diesen
die Ehre zu geben und der Stadt selbst ein Denkmal ihrer glorreichsten
Zeit zu errichten. Die Bau- und Bildhauerkunst waren eben zu den
höchsten Leistungen herangereift; Athen war der Sitz des Geschmacks und
einer begeisterten Kunstliebe, die Bürger durchdrungen von dem Gefühl
des Ruhmes ihrer herrlichen Stadt. Ihre Flotten herrschten ans
dem Meere, ihr Hafen war der Marktplatz von ganz Griechenland;
viele hundert Insel- und Küstenstädte sandten ihren jährlichen Tribut in
die Bundeskasse auf der Burg, wo aus dem Überschuß der Einnahmen
ein Schatz von mehr als 13 Millionen Taler beisammen war. Wenige
Stunden von Athen hatte man unerschöpfliche Adern des schönsten Marmorsteins
entdeckt; zwei Männer endlich wie Perikles und Phidias standen beieinander,
um mit allem Aufwand der reichsten Mittel die öffentlichen Arbeiten zur