Full text: [Teil 3 = Kl. 6] (Teil 3 = Kl. 6)

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60 Dann sprach der Herr mit Heiterkeit: 
„Tatst du zur rechten Zeit dich regen, 
hättst du's bequemer haben mögen. 
Wer geringe Ding' wenig acht't, 
sich um geringere Mühe macht." 
16. Kindcsd^nk. Von Heinrich Caspar!. 
Geistliches und Weltliches. 5. Auflage. Erlangen 1858. S. 137. 
Der König Friedrich von Preußen, den man den alten Fritz nennt, 
ritt einst spazieren und erblickte einen alten Bauern, der neben 
der Straße fröhlich singend seinen Acker pflügte. „Du mußt’s gut 
haben, Alter,“ sagte der König, „gehört der Acker dir, auf dem du 
so fleißig arbeitest?“ „Nein, Herr,“ antwortete der Bauer, welcher 
den König nicht kannte, „so reich bin ich nicht. Ich pflüge um 
Lohn.“ „Wieviel verdienst du täglich?“ fragte der König weiter. 
„Acht Groschen,“ antwortete der Bauer. „Das ist nicht viel,“ sagte 
der König; „kannst du denn damit auskommen?“ „Auskommen?“ 
erwiderte der Bauer. „Das muß weiter reichen.“ „Wie so das?“ 
Der Bauer lächelte und sagte: „Nun, wenn Ihr’s gerade wissen 
wollt: zwei Groschen sind zum Auskommen für mich und mein 
Weib; mit zweien bezahle ich alte Schulden; zwei leihe ich aus, 
und zwei verschenke ich um Gottes willen.“ „Das ist ein Rätsel,“ 
erwiderte der König, „das kann ich nicht lösen.“ „Nun,“ entgegnete 
der Bauer, „so will ich's tun. Ich habe zu Hause noch zwei alte 
Eltern; die haben mich einst ernährt, als ich schwach war. Nun 
sie schwach sind, muß ich sie ernähren, — das ist die Schuld, die 
ich zu zahlen habe, und darauf wende ich täglich zwei Groschen. 
Das dritte Paar Groschen, die ich ausleihe, wende ich auf meine 
Kinder, damit sie etwas Gutes lernen und christlich unterwiesen 
werden; das soll mir und meinem Weibe einst zugute kommen, 
wenn wir alt sind. Mit den beiden letzten Groschen erhalte ich 
zwei kränkliche Schwestern, die ich gerade nicht zu versorgen 
hätte, — diese verschenke ich also um Gottes willen.“ 
Der König, welchem die Antwort sehr gefiel, sagte: „Brav, 
Alter! Nun will ich dir auch etwas zu raten geben. Hast du mich 
schon einmal gesehen?“ „Niemals,“ sagte der Bauer. „Ehe fünf 
Minuten vergehen, sollst du mich fünfzigmal sehen und alle fünfzig 
meinesgleichen in der Tasche heimtragen.“ „Das ist ein Rätsel,“ 
sagte der Bauer, „das kann ich nicht lösen.“ — „Nun, so will ich's
	        
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