Full text: [Teil 3 = Kl. 6] (Teil 3 = Kl. 6)

22 
„Ich werde Euer auch nicht vergessen, liebe Mutter!" versicherte der 
junge Mann auf dem Schemel und stellte die Stiefel des Wirtes auf die 
Seite, nachdem er die letzte Hand daran gelegt hatte. „Ich werde Euch 
schon von Zeit zu Zeit schreiben, wie es mir geht. Und wenn Ihr ein¬ 
mal unter einem Briefe von mir leset: Euer dankbarer Sohn, Hofschuh¬ 
machermeister Seiner Majestät des Königs von Großbritannien, Schottland 
iinb Irland — dann dürft Ihr Euch flugs aufmachen wie der Erzvater 
zu seinem Sohne Joseph in Ägyptenland. Denn ich wollte mich Euer 
nicht schämen, und wenn ich König würde!" 
„Bis dahin," versetzte die Mutter, indem sie sich mit der Schürze 
eine Träne aus dem Auge wischte, „darfst du dir um meinetwillen keine 
Sorge machen. Denn ein neues Haus, zwei Kühe im Stalle und etliche 
Morgen im Felde und an der Altmühl sind für ein Witweib mehr als 
genug." 
Sie hatte noch nicht ausgeredet, als Andreas schon anfing, um seinen 
Schemel herum aufzuräumen. Seine Mutter aber wehrte es ihm und 
sprach: „Lieber Sohn, das überlaß mir! Nimm nur das Handwerkszeug, 
das du als Geselle auf der Wanderschaft brauchst, und schnalle dein Bündel! 
Der Ranzen, den du vor drei Jahren aus der Fremde mitgebracht hast, 
ist noch ganz gut und hängt drüben in der Kammer. Indes habe ich 
Zeit, dir zum Abschiede dein Leibgericht zu bereiten. Denn du sollst erst 
gegen Abend ausziehen und heute nicht mehr weiter als nach Merkendorf 
gehen. Du möchtest dir sonst wehe tun!" 
Hub so geschah es auch. Andreas schnallte sein Wanderbündel, aß 
sein Leibgericht mit großem Beifall, plauderte noch zwei oder drei Stunden 
mit seiner Mutter über dies und jenes und ging dann, von ihr bis vor 
die Haustür geleitet. 
Die Witwe aber sprach bei sich, als sie nach ihrem Stüblein zurück¬ 
kehrte: „Ich lasse alles liegen und stehen, auch seinen Schemel; denn er 
wird nicht lange ausbleiben." Und als eine Stunde darauf die Nachbarin 
kam und Schuhe zum Flicken brachte, nahm sie diese an und antwortete: 
„Morgen abend könnt Ihr wiederkommen und sie holen, da werden sie 
fertig sein." 
Andreas aber, je weiter er ging, desto länger wurde ihm der Weg 
nach England und Amerika. Schon auf den Wiesen zwischen den beiden 
nächsten Ortschaften gelobte er bei sich selber, sich mit der Neuen Welt 
nicht einzulassen. In dem großen Mönchswalde gab er auch England 
auf; in dem tiefen Sande dahinter fiel der Zeiger bis auf Frankfurt 
zurück; und als ihn: in Mertendorf da und dort ans den Stuben ein
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.