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Der König speiste nun mit sichtlichem Wohlbehagen weiter, die Fische
schmeckten ihm prächtig, ebenso der Pudding; er nahm endlich auch ein
Glas Wein. Als die Mahlzeit beendet war, erhob er sich, mit ihm die
andern. In seiner einfachen Uniform sah er gar würdig aus, als er
mit fester Stimme das Dankgebet sprach. Alle neigten sich. „Besten
Dank für die Bewirtung!" sagte er dann freundlich, während die Rätin
und die Töchter tief knicksten. „Es hat mir sehr gut geschmeckt — nun
an die Arbeit! Führt mich ins Kassen- und Arbeitslokal!"
Happelius hatte schon die Beamten rufen lassen. In wenig Minuten
lagen die Bücher, die Rechnungen und Kassenbestände bereit. Mit einer
bewunderungswürdigen Genauigkeit wußte der König sich in der schwer¬
fälligen Buchführung jener Zeit zurechtzufinden. Er kannte alle Preise,
alle Gehälter der Beamten, wußte genau, aus welchen Kassen die Gelder
flössen, und rechnete die wichtigsten Posten durch, indem er mit dem
Zeigefinger die Reihen entlang fuhr. Hierauf ließ er sich die baren
Gelder vorlegen. „Alles gut — alles in Ordnung — sehr schön!" sagte
er, Happelius aus die Schulter klopfend. „Hab's nicht anders erwartet!
Das mag sein bestes Kompliment sein. Jetzt will ich weiter. Abends
komme ich noch einmal zurück; da bitte ich mir kalten Schinken, Salat
und Eier aus — Gott befohlen!"
Der Wagen wartete schon. Der eine der Offiziere nahm neben
dem König Platz, der andere ihm gegenüber. Ohne weiteres Gefolge,
nur ein Leibjäger saß neben dem Kutscher, ging es nach Giesenbrügge.
Die Schulprüfung.
Giesenbrügge ist ein Dorf in der Neumark nicht weit von der Kreis¬
stadt Soldin. Meister Wendroth, der Küster und Schullehrer, hatte des
Tages Last in der niederen Schulstube getragen. Der Abend war nahe.
Die Schuljugend tummelte sich munter auf dem Platze vor der Kirche.
Wendroth schritt, die Pfeife im Munde, die Gießkanne in der Rechten,
von Beet zu Beet und begoß seine Blumen. Da stürzte auf einmal Frau
Wendroth atemlos in den Garten. „Ach Gott, Mann," ächzte sie, „der
König ist hier, er kommt eben mit dem Schulzen die Straße herauf."
Wendroth riß eilig den Hausrock von den Schultern und stürmte, ohne
zu wissen wohin, durch den Garten ins Haus. Aber als er eben die
Tür öffnete, um auf die Gasse zu kommen, sank er halb in die Knie;
denn vor ihm stand der König. „Aha, das ist mir lieb," begann Friedrich
Wilhelm. „Ich finde Ihn hier im Hause." „Majestät," stammelte
Wendroth, „ich war in meinem Garten, solche Visitation hatte ich mir
nicht vermutet." „Ja, ist meine Art so," lachte der König. „Da geraten
noch ganz andere Leute in Schrecken. Fasse Er sich, Er soll mir eine
Stunde halten mit seinen Jungens." Wendroth faßte sich. „Wie Ma¬
jestät befehlen." „Der Schulbesuch ist doch gut?" „Sehr gut, Majestät."