Full text: [Teil 4 = Kl. 5 u. 4] (Teil 4 = Kl. 5 u. 4)

aber seine dreijährigen Ochsen und die Milchkühe und die jungen Kälber 
sind noch im Stalle. Aber prächtiges Gras schon und ein herrliches 
Wetter — wenn das noch etwas anhält, denkt er, will er vor Maitag 
alles hinausjagen. 
Er springt wieder über einige Gräben und kommt zu seinem Acker, 
wo sein Sohn sät und der Knecht gerade beim letzten Stück zu pflügen 
ist. — „Na, wo geit't jo dermit?" fragt er. „Got, Herr, bat Land ward 
fein," antwortet freundlich und kurz der blonde, kräftige Knecht, ohne aufzu¬ 
halten, „vor Middag krieg ick't rum." — „Paßt man got op." — „Ja, Herr!" 
Jetzt redet er mit seinem Sohne, der eben das Stück voll gesät hat 
und sich nun kräftig und gewandt auf eins der Pferde schwingt, die vor 
die Egge gespannt sind. Fort geht's wieder und der Junge mit der 
zweiten Egge hinterdrein. 
Lange schaut der Alte dem Sohne zu. Er mag sich wohl still in 
der Seele freuen, zu sehen, wie der schlanke und kraftvolle Junge so 
nobel und stattlich zu Pferde sitzt; wie frisch und arbeitsfreudig er von 
früh bis spät drauf und dran ist, und wie er gepflügt und die Furchen 
gelegt hat, eine um nichts breiter als die andere und alle so schnur¬ 
gerade, daß man in Haarbreite eine Büchsenkugel an jeder hinschießen 
könnte; vor allem aber, wie brav und wacker er ist, welch ein Herz in 
ihm steckt. — Ja, das weiß er sicher, der wird dem uralten, unbefleckten 
Namen seiner Familie keine Schande machen. — 
„Na ade, Kinners, seht to, dat jy't got kriegt," ruft er zum Ab¬ 
schied. „Ade, Herr," ruft der Großknecht zurück. So verläßt er seinen 
Acker, um sich wieder dem Dorfe zuzuwenden. 
Aber nach Hause geht's noch nicht gleich. Zuvor wird noch ein 
Stündchen im Wirtshaus verplaudert. Da kommt denn gleich die Rede 
auf Wettermutmaßungen, auf den Stand des Winterkorns, auf die schöne 
Saatzeit, auf Land-, Vieh- und Kornpreise, ans die letzten Verordnungen 
des Amts oder der Wasserbaubehörde usw. Oft wird auch ein Handel 
abgeschlossen, so daß man diese Morgenzusammenkünfte recht wohl die 
Börsenstunde der Hausleute nennen könnte. Mit der heranrückenden 
Mittagsstunde geht die Versammlung regelmäßig auseinander; denn zwölf 
Uhr ist in jedem Hause stehende Essenszeit. 
Seit einer halben Stunde sind auch die Pflüger heimgekehrt, und 
eifrig wühlen die Pferde in den vollen Krippen. Von den Lippen einer 
Magd ertönt abermals der herzerfreuende Ruf: „Rinkamen! Wat 
eten!" — Alles eilt an den „Sot" (Brunnen), Hände und Gesicht zu 
waschen, dann in die Gesindestube, wo ans blanker mächtiger Zinnschüssel 
ein wahrer Berg von Klößen, Kartoffeln und Wurzeln und dabei auf 
einer anderen Schüssel ein paar dicke, leckere Speckstreifen dampfen. Der 
Großknecht führt wie immer den Vorsitz, schneidet Brot und teilt den 
Speck; ihm zunächst sitzt der zweite Knecht, dann die Jungen, dann die 
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