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239 Winterblumen.
1. Der Winter ist ein wackrer Mann,
er will ja geben, was er kann.
Er spricht: „Ich bin so traurig nicht,
seht meiner Blümlein Helles Licht.
2. Ich webte sie aus Schnee und Eis,
die zarten Blumen silberweiß.
Der Frühling ist ein reicher Mann,
doch fragt ihn, ob er's besser kann.
3. Und meine Blümlein zart und weiß,
sie blühn zu eines Kindes Preis,
sie blühn, daß ihr es alle wißt,
so schön und licht dem Heil'gen Christ.
4. Weihnachten glänzt, der Weihnachtsstern
sieht meine weißen Blumen gern,
es glanzt der Baum, es strahlt die Nacht —
Ei, sagt doch, wer es besser macht?"
Hermann Rletke.
249. Ein Guckloch in der Scheibe.
O, wie bitter kalt ist es draußen! Wir haben Ferien, denn morgen
ist der heilige Abend. Ich stehe am Fenster, und das ist von oben
bis unten ganz mit Eisblumen bedeckt. Ich hauche und hauche gegen
die Scheibe, bis ein kleiner feuchter Fleck da ist und das Eis schmilzt,
und nun ist ein Guckloch im Fenster.
Jetzt kann ich auf die Straße sehen. Da geht ein Mann, der hat
beide Hände in den Taschen. Er zieht die Schultern hoch, damit
die Ohren sich an seinem Mantelkragen wärmen können. Da kommen
zwei Knaben, die sind wohl schon konfirmiert, sie tragen Schlittschuhe
über der Schulter und haben dicke Handschuhe angezogen. Ein kleines
Mädchen trippelt dicht hinter ihnen her, damit es etwas gegen den
scharfen Ostwind geschützt ist, der durch die Straßen fegt. Kein Kind
spielt draußen, alle sind wohl in den warmen Stuben. Die Fenster
in den Häusern gegenüber sind fast alle zugefroren. Sieh, unsere
Milchfrau kommt über die Straße. Sie will uns Milch bringen. O, wie
sieht sie aus! Sie ist ganz in Tücher und Mantel eingehüllt. Nur