fullscreen: Vaterländische Geschichte für die Oberklassen kathol[ischer] Volksschulen

o6 Der Clerus. Licht- und Schattenseiten. 
des kirchlichen Lebens. Durch die Verlegung des päpstlichen 
Stuhles von Rom nach Avignon hatte das Papsttum seine er¬ 
habene Stellung, und durch das dadurch herbeigeführte unselige 
Schisma, sowie durch die Erörterungen aus den Kircheuversamm- 
lungeu zu Coustauz und Basel seinen früheren Einfluß aus Eu¬ 
ropa verloren. Das Schisma wurde zwar aus dem Concil zu 
Coustauz beseitigt; aber die traurigen Folgen dauerten fort. 
Auch unter dem Clerus gab es viele Unwürdige, welche nur zur 
Verhöhnung und Herabwürdigung des geistlichen Standes beitru¬ 
gen. Selbst in viele Klöster war das Verderben eingedrungen, und 
wenn auch sehr vieles, was über die Verkommenheit des da¬ 
maligen Klosterlebens geschrieben worden, der Begründung ent¬ 
behrt, so war doch im Allgemeinen die klösterliche Zucht in großen 
Verfall geraten, was schon der Umstand bekundet, daß die Prediger 
des Abfalls sich zumeist aus aufgesprungenen Mönchen rekrutierten. 
Indessen war die unter der Geistlichkeit eingerissene Ver¬ 
weltlichung durchaus keine allgemeine; auch der damalige Clerus 
hatte eine große Anzahl von Männern auszuweisen, die nicht nur 
persönlich sich rein erhielten von der herrschenden Verderbnis, 
sondern auch mit dem nachdrücklichsten Ernste für die Hebung der 
Religion und eine durchgreifende Verbesserung der kirchlichen Ver¬ 
hältnisse thätig waren. So drang beispielsweise der berühmte 
Prediger Geiler von Kaisersberg (gest. 1510) in seinen 
Predigten, unter schonungsloser Geißelung der unter der unkirch¬ 
lichen Geistlichkeit herrschenden Mißbrauche, aus die Erneuerung 
des kirchlichen Sinnes und frommer Zucht. Aber diese verein¬ 
zelten Bestrebungen waren, so viel Gutes sie auch im engeren 
Kreise wirkten, um so weniger imstande, dem allgemeinen Ver¬ 
derben Einhalt zu thun und eine bessere Zeit anzubahnen, als 
ihnen von den glaubensseiudlicheu Humanisten:) durch absichtliche 
Irreleitung der öffentlichen Meinung mit ebensoviel Erfolg als 
Geschick entgegen gearbeitet wurde. 
Der Humanismus hatte in Deutschland Vertreter aller 
1) Humanisten (lat. homo, Mensch, und humanus, menschlich) 
sind solche Leute, die sich durch das Studium der alten Sprachen (oder 
des klassischen Altertums) auf den Standpunkt stellten, als seien sie allein 
im Besitz dessen, was den Menschen zum Menschen macht und ihn vom 
Tier unterscheidet. Der Humanismus suchte namentlich im 15. u. 16. 
Jahrh, der Schulweisheit des Mittelalters entgegen zu treten. Huma- 
noria sind die sprachlichen (philologischen) Wissenschaften, zum Unter¬ 
schied von deu theolog. u. allen anderen, die mit dem heidnischen Alter¬ 
tum nichts zu schaffen haben.
	        
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