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Unter Steinen.
werke erhielt er unentgeltlich,- und durch allerlei Hand- und Spann-
dienste wurde ihm gern geholfen. So wusch, wie das Sprichwort
sagt, eine Hand die andere. Sehr häufig begleitete ich meinen Freund
bei diesen Besuchen und war stolz, wenn ich Hammer und Kneifzange
tragen durfte. Gar gerne lauschte ich dann den klugen Beden des
Ulten, oder ich tummelte mich mit den Kindern des Sandmannes
durch Hof, Scheune und Ställe, sammelte die ausfallenden haare
der Kühe zu einem Fangballe, der dann von der Schwester mit
bunter Wolle bestrickt wurde, oder machte Keitversuche aus dem
Kücken der wohlgenährten Pferde. Die Bauernküche lieferte dann
meistens zum Schluß noch einen Upfel oder ein Stückchen Butter¬
oder Schmalzbrot, je nach der Jahreszeit und den vorhandenen
Vorräten.
Wahre Festtage erschienen jedoch für mich, wenn es ans
Steinsprengen ging. Sn der Umgebung unsers Dorfes lagen viele
von jenen großen Wandersteinen, die, wie ich in der Schule erfahren
hatte, durch große Eismassen nach Ost- und Westpreußen gekommen
waren. Daß es Felsstücke von schwedischen, finnländischen oder nor¬
wegischen noch heute dort anstehenden Gebirgen waren, die von Wind
und Wetter an der Oberfläche so glatt poliert waren, erhöhte mein
Interesse für diese Steinriesen nur noch mehr. Sie bildeten oft den
Mittelpunkt unserer kindlichen Spiele, ein weithin sichtbares Mal
beim Wettlaufen oder erwünschte Schlupfwinkel beim versteckspiel.
Doch der Sandmann weiß alles nutzbar zu machen. Werden
Steine zum Fundament eines Neubaues oder zur Pflasterung des
Hofes gebraucht, so macht man sich an die ehrwürdigen Kiesen heran,
wie sagenreich ihr Dasein auch umsponnen sein mag. Sie werden
gesprengt und dann durch Hämmer in die gewünschten kleinen Stücke
zerschlagen. Beim Neubau von Chausseen hat schon mancher Be¬
sitzer, dessen Feld reich an solchen Steinen war, viel Geld daran
verdient. Diese Sprengarbeiten besorgte in unserm heimatsdorse
gewöhnlich mein schwarzer Onkel, der eine große Geschicklichkeit
darin besaß. Er kannte die Sagerungen der Gesteinsmassen und
wußte, in welcher Kichtung und wie tief er das Sprengloch bohren
mußte. Ich war sein getreuer handlanger. Eine solche Sprengung
ist mir noch in lebhafter Erinnerung. Der Stein lag unfern des
Dorfes am Kande eines Kornfeldes. Um die Vesperzeit gingen wir
dorthin. Zuerst galt es, ein etwa 20—30 cm tiefes Soch in den
Stein zu bohren. Dazu wurde eine an einem Ende breitgeschlagene
und gut gehärtete Gußstahlstange von der Stärke eines Fingers