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Zeit geschenkt haben, wo ich ihm einen Lehrer geben kann wie
Aristoteles." — Dieser übernahm die Erziehung des dreizehnjährigen
Knaben und bildete alle Keime des Edlen und Schönen, mit denen
ihn die Natur so reichlich ausgestattet hatte, aufs sorgfältigste aus.
Oft ermahnte Philipp seinen Sohn, die Lehren eines so weisen
Mannes gewissenhaft zu befolgen. „Dadurch allein," sagte er zu
ihm, „wirst du dir die Reue ersparen können, die ich über so vieles
empfinde, was ich getan habe." — Homer war der Lieblingsdichter
des Jünglings, Achilles sein höchstes Vorbild. Obgleich nicht sehr
ansehnlich von Körper, war er doch Meister in allen kriegerischen
Übungen, und er allein vermochte das wilde thessalische Streitroß
Bucephalus (Stierkopf) zu zügeln. Schon früh bewies er Heldensinn,
Ehrgeiz und Ruhmesliebe; an den olympischen Wettrennen wollte
er nur teilnehmen, wenn Könige mit ihm in die Schranken treten
würden, und bei jeder Nachricht von den Siegen seines Vaters
rief er mit Tränen aus: „Mein Vater wird noch alles erobern und
mir nichts zu tun übrig lassen!" In der Schlacht bei Chäronea
bewies er solche Tapferkeit, daß sein Vater ihn gerührt umarmte
und ausrief: „Mein Sohn, suche dir ein anderes Königreich!
Mazedonien ist für dich zu klein!"
Als er, zwanzig Jahre alt, den Thron bestieg (336), mußte er
zunächst die von seinem Vater unterworfenen Völker Illyriens und
Thraziens, die sich nach dessen Tod empört hatten, wieder zum
Gehorsam zurückbringen. Theben, das ebenfalls einen Aufstand
versucht hatte, wurde erstürmt, und bei der Zerstörung dieser Stadt
verschonte Alexander außer den Tempeln nur das Haus des Dichters
Pindar und ließ die noch übrigen Einwohner in die Sklaverei ver¬
kaufen. Hierauf unternahm er das große Werk, an dessen Aus¬
führung sein Vater durch den Tod verhindert worden war, die
Eroberung des persischen Reiches.
Mit 35 000 Mann ging er bei Sestus über den Hellespont und
befriedigte zunächst seinen sehnlichen Wunsch, die trojanischen
Schlachtfelder zu sehen. Als er das Grabmal des Achilles bekränzte,
rief er aus: „Wie beneide ich dich, glücklicher Jüngling, der du
einen Sänger für deine Taten wie Homer und einen Freund wie
Patroklus gefunden hast!" Seinen ersten Sieg erfocht er am Granikus
in Mysien über die Satrapen des Königs Darms Kodomannus.
Fast ohne Widerstand durchzog er nun die Länder an der