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zu sehen, daß er sie bekehren solle. Er begann daher die angelsächsische
Mission, und diese wurde mit so glücklichem Erfolge fortgeführt, daß
im Laufe von hundert Jahren das gesamte angelsächsische Volk das
Christentum annahm. Da die Gründung der angelsächsischen Kirche von
Rom ausging, kam sie in unmittelbare Abhängigkeit von der römischen.
Nur in Rom suchten die Angelsachsen fortan religiöse Unterweisung;
scharenweise pilgerten Geistliche und Laien nach dem Grabe des heiligen
Petrus: ja in Rom wurde eine Schule zur Bildung von angelsächsischen
Geistlichen angelegt und zu ihrem Unterhalte der Romschoß erhoben, von
jedem Hause in den angelsächsischen Königreichen ein Pfennig.
Als die Angelsachsen bekehrt waren, machten sie sich mit glühendem
Eifer daran, das Christentum und die Herrschaft der römischen Kirche
weiter zu verbreiten. Zunächst zogen sie über die See zu den Friesen,
und nach mehreren unglücklichen Versuchen gelang es Willibrord, den
südwestlichen Teil des Landes für das Christentum zu gewinnen. Der
bedeutendste unter den angelsächsischen Missionaren wurde Vonifatius,
auch Winfried genannt, — beide Wörter bedeuten soviel wie Wohlfahrt.
2. Bonifatius.
Zn Bonifatius vereinigte sich eine Reihe der glänzendsten Eigen¬
schaften, die ihn zur Mission und zum Kirchenregimente besonders
befähigten: Ernst und Milde, Klugheit und Aufrichtigkeit, gelehrte
Bildung und praktisches Geschick, Tatkraft und unermüdliche Ausdauer.
Darum übte er eine Macht über die Geister, wie sie wenigen beschieden ist.
Wer mit ihm persönlich verkehrt hatte oder ihn das Evangelium hatte
auslegen hören, mochte nicht wieder von ihm lassen. Daher die unendliche
Verehrung und Liebe, die er schon bei Lebzeiten genoß, der trostlose
Schmerz und das Zusammenströmen des Volkes, als seine Leiche von
Friesland nach Fulda übergeführt wurde.
Zu den persönlichen Vorzügen kam für das Gelingen seines Werkes
noch hinzu, daß sowohl die fränkischen Herrscher als auch die Päpste ihn
nachhaltig und wirksam unterstützten. Die fränkischen Herrscher erkannten,
daß christliche Nachbarn ihrem Reiche vorteilhafter seien als heidnische,
und dem Papste war die Tätigkeit Winfrieds hochwillkommen, da Win¬
fried zugleich den christlichen Glauben ausbreitete.
Vonifatius hatte nämlich dem Papste einen Eid geleistet, an dem
katholischen Glauben festzuhalten, dem heiligen Petrus und seinem
Stellvertreter gehorsam zu sein und mit abtrünnigen Geistlichen keine