Full text: [Teil 4 = 5. - 6. Schulj] (Teil 4 = 5. - 6. Schulj)

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die Bäuerin, ob sie uns wohl ein Glas Milch ablassen wolle. Dienst¬ 
fertig schritt sie dem Stalle zu und brachte bald im reinlichen Gefäße 
die köstliche Milch, die sie eben erst dem Euter entnommen hatte. 
Wir nahmen sie als Frühstück gern entgegen und ließen uns auch 
das kräftige Schwarzbrot der gastfreien Frau schmecken. Nun schlüpf¬ 
ten auch einige fast nackte Kindlein aus dem Hause und betrachteten 
halb schüchtern, halb neugierig die fremden Wanderer. Als wir aber 
eine Unterhaltung mit ihnen anknüpfen wollten, da huschten sie scheu 
wieder in das Haus wie junge Füchslein in die sichere Höhle. Dann 
aber schauten sie im Gefühle voller Sicherheit durch die kleinen Fenster 
und lachten und schäkerten mit uns ohne Unterlaß. 
2. Welche Heimstätte könnte aber auch den Bewohnern das Gefühl 
des Geborgenseins in höherem Grade geben als solch ein Schwarz¬ 
wälder Bauernhaus! Alles, was der Landmann an Wohnung, Stal¬ 
lung und sonstigen Wirtschaftsräumen bedarf, wird von einem ein¬ 
zigen mächtigen Dache überschattet. Lang und breit, hoch und weit 
dehnt es sich über einen bedeutenden Flächenraum aus und reicht mit¬ 
unter an manchen Stellen bis herab zum Erdboden. Oft muß der 
Wanderer dem Hause ganz nahe kommen, wenn er die vielen, aber 
kleinen Fenster der Wohnräume erblicken will, die von dem weit über¬ 
hängenden Dache halb verdeckt werden. Von den Fenstern laufen 
holzgeschnitzte Galerien her, über die man in die verschiedenen Räume 
des Hauses gelangt. Neben den Stuben befinden sich die Stallungen. 
3. Über allen diesen Gelassen breitet sich ein außerordentlich um¬ 
fangreicher Speicher oder Boden aus, auf dem — und das erscheint 
deni Fremdling gar seltsam — Pferde und Wagen verkehren. Wie 
aber kommen diese auf den Speicher? Der Schwarzwälder baut sein 
Haus gerne so, daß die eine Schmalseite einer Bodenerhebung zuge¬ 
kehrt ist, welche der Höhe eines Speichers annähernd gleichkommt. 
Diese Höhe verbindet er nun durch eine Brücke mit dem Speicher, 
auf den er dadurch mit Pferd und Wagen gelangen kann. Ist eine 
natürliche Erhöhung nicht vorhanden, so muß die erhöhte Zufahrt 
künstlich hergestellt werden, indem ein Damm aufgeworfen wird. Wäh¬ 
rend nun die Mutter mit ihren Kindern in den holzgetäfelten, niedrigen 
Stuben sich bewegt und wirtschaftet, führt der Vater über den Köpfen 
der Seinigen die Pferde am Zaum und bringt die Ernte auf dem 
wohlbeladenen Wagen ein. Diese Brücke am Hause dient außerdem 
als Dach bei Hantierungen, die im Freien vorgenommen werden. 
Unter ihr sägt und spaltet der Schwarzwälder sein Holz, welches rings 
um das Haus an trockenen Stellen aufgesetzt wird. Da steht wohl 
auch eine Schnitzbank, auf der gar manches Haus- und Ackergeräte 
von kundiger Hand verfertigt oder wenigstens wieder ausgebessert wird.
	        
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