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5. (6.) Der Beginn der Eroberung Greußens durch die Witter
vom deutschen Krden.
Lateinische Chronik von Oliva, aus dem Anfange des 14. Jahrhunderts. In den
scriptt. rer. Prues. V. S. 596 ff. Bei Znrbonsen a. a. O. S. 136.
In jener Zeit wurden die Länder der Christen, nämlich das Land von
Kulm, Löbau, Masovien und Kujawien durch die Einfälle der Preußen
bedrängt, entvölkert und verbrannt; die Männer wurden getötet, die Weiber
und Jungfrauen entehrt und gefangen und in ewige Sklaverei geschleppt.
Um dieselbe Zeit, im Jahre des Herrn 1224, wurde der Konvent von Oliva
durch die Pomesanischen Preußen von Oliva nach Danzig entführt und dort
von ihnen zu Tode gemartert. Als das Herzog Konrad, der Herr dieser
Länder, sah und den Bedrängnissen und Nöten dieser Art keinen Widerstand
leisten konnte, berief er nach dem Rate seiner Krieger einige geistliche Ritter,
die sog. Ritter Christi, und übergab ihnen die Burg Dobrin, um die Ein-
fälle der Heiden aufzuhalten; denn schon waren die Länder Kulm und
Löbau gänzlich,. verödet; doch richteten jene Brüder nichts aus und ver¬
mochten dem Übermute der Preußen nicht zu widerstehen. Deshalb hielt
der genannte Fürst einen heilsameren Rat mit dem Zisterzienser Christian,
dem ersten Bischof von Kulm, und mit andern Bischöfen und Edlen in
seinem Herzogtums, und auf die Kunde von den Brüdern des Deutschen
Hauses schickte er (1226) Boten zum Bruder Hermann von Salza, dem
Meister dieser Brüder, und ließ ihn inständig bitten, einige Brüder seines
Ordens in seine Länder zu entsenden, um die Wildheit der Preußen zu
zügeln; den Orden und die Brüder, die er ihm zu schicken sich entschließen
würde, versprach er bestimmt zu lohnen.
Nach Überlegung und reiflicher Beratung wurde daher Bruder Konrad
von Landsberg mit einem andern Bruder nach Kujawien zu dem ge-
nannten Herzog geschickt, der alsbald nach dem Rate seiner Krieger und
Bischöfe und unter voller Zustimmung der Herzogin und seiner Söhne
Boleslaw, Kasimir und Semowit ihnen und ihrem Orden im Jahre des
Herrn 1226 das Land Kulm und Löbau zu ewigem und erblichem freien
Besitze überließ, auf daß sie sich wie eine Mauer zur Verteidigung der
Christenheit gegen jene Heiden stemmten.
Mit Hilfe des Herzogs errichtete also der genannte Bruder Konrad
auf dem gegenüberliegenden Ufer der Weichsel, wo jetzt die Stadt Thorn
liegt, auf einem Hügel eine Verschanzung, die er Vogelsang nannte,
und begann von hier aus die Feindseligkeiten gegen die Preußen. Nachdem
er aber das Geschehene dem genannten Meister, dem Bruder Hermann von
Salza, berichtet hatte, sandte dieser ihm den Bruder Hermann Balk
mit fünf andern Brüdern mit mehreren Kriegsknechten. Als diese zugleich
in Vogelsang angekommen waren, errichteten sie nach dem Rate jenes
Herzogs und feiner Krieger die Burg Nessau, und von dieser Burg aus
unterhielten sie fast fünf Jahre hindurch fast tägliche Kämpfe mit den Preußen.
Später aber, im Jahre des Herrn 1231, gingen der Landmeifter, Bruder
Hermann Balk, und feine Brüder mit dem genannten Herzoge Konrad und
andern fremden Getreuen über die Weichsel in das Kulmer Land, und am
Ufer der Weichsel errichteten sie auf einer laubreichen Eiche ein Bollwerk,