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der Knaben sich tummelt beim Ball- und Barlaufspiel! Hei, wie die
Fahne im Winde flattert, wenn die Kommandos erschallen und die Knaben
in blauen Matrosenkleidern exerzieren! Wie lustig erklingen die Weisen der
Trommler und Pfeifer! Da möchte jeder seine Sache am besten machen;
denn alle, alle wollen, wie ihre Väter, einmal tüchtige Soldaten werden,
nur die Mägdlein nicht. Die spielen in ihren weißen Schürzen lieber
Ringel Ringel Rosenkranz, fahren ihre Puppen spazieren oder kochen ihnen
ein Süppchen. Dazu erbetteln sie sich von der Hausmutter einige Rosinen,
die diese eingekauft hat, um am Geburtstag unsers Kaisers einen großen
Kuchen zu backen.
Nachmittags, wenn die Schul- und Spielzeit vorüber ist, ziehen die
Jungen mit Hacke und Schaufel aufs Gemüsefeld und singen dazu mit
dem Wandsbecker Boten:
„Wir pflügen und wir streuen
den Samen auf das Land;
doch Wachstum und Gedeihen
steht in des Höchsten Hand."
Die Mädchen aber lernen Stricken, Kochen, Waschen und Nähen,
damit sie später als tüchtige deutsche Frauen ihrem Hause wohl vorzu¬
stehen vermögen.
5. Am Sonntagmorgen rufen die Glocken der alten, gotischen Stadt¬
kirche ins Gotteshaus. Nachmittags geht's hinaus in den grünen Wald.
Da wird mit den Vögeln um die Wette gesungen, daß Reh und Häsleiir
einander verwundert und erschrocken in die braunen Äuglein schauen.
Kommst du aber im Herbste, wenn das Drachensteigen vorüber ist und
die Eleichberge ihre Häupter in einer Nebelkappe verstecken, oder an einem
Winterabende, wenn dir im rauhen Nordwind Nase und Ohren frieren,
vom Bayerlande herüber, dann siehst du die Fenster des alten Schlosses
in hellem Licht erglänzen. Das Kinderleben hat sich in die warme Stube
zurückgezogen. Mar und Peter spielen mit Bleisoldaten. Richard und
Paul haben sich etwas Besondres erdacht. Sie bauen eine Burg aus
Pappe und Holz mit einem Gärtchen darum von Moos und Steinchen.
Auf den Turm stecken sie eine Fahne und in den Turm ein kleines Licht.
Lotte und Grete nähen ihren Puppen warme Kleider oder für liebe An¬
gehörige einen Federwischer und ein Staubtuch. Doch das darf noch nie¬
mand wissen; denn noch ist nicht Weihnachten.
6. Nun kommen aus allen deutschen Gauen die Liebesgaben zum
Fest, Kisten und Ballen mit tausend Herrlichkeiten für groß und klein,
und Hausvater und Hausmutter haben hinter verschlossenen Türen ge¬
heimnisvoll zu schaffen. Die Klempner und Tischler, die Schmiede mit
den rußigen Fäusten und die Unteroffiziersschüler in den bunten Uniformen,