Full text: (Zweites und drittes Schuljahr) (Teil 1 für Kl. 8 u. 7)

105. Born Bäumlein, das andere Blätter hat gewollt. 
Friedrich Rückert. 
1. Es ist ein Bäumlein gestanden im Wald 
In gutem und schlechtem Wetter; 
Das hat von unten bis oben 
Nur Nadeln gehabt statt Blätter; 
Die Nadeln, die haben gestochen, 
Das Bäumlein, das hat gesprochen: 
2. „Alle meine Kameraden 
Haben schöne Blätter an, 
Und ich habe nur Nadeln, 
Niemand rührt mich an; 
Dürft' ich wünschen, wie ich wollt', 
Wünscht' ich mir Blätter von lauter Gold." 
3. Wie's Nacht ist, schläft das Väumlein ein, 
Und früh ist's aufgewacht; 
Da hatt' es goldene Blätter fein. 
Das war eine Pracht! 
Das Bäumlein spricht: „Nun bin ich stolz; 
Goldne Blätter hat kein Baum im Holz." 
4. Aber wie es Abend ward, 
Ging der Jude durch den Wald 
Mit großem Sack und großem Bart, 
Der sieht die goldnen Blätter bald; 
Er steckt sie ein, geht eilends fort 
Und läßt das leere Bäumlein dort. 
5. Das Bäumlein spricht mit Grämen: 
„Die goldnen Blättlein dauern mich; 
Ich muß vor den andern mich schämen, 
Sie tragen so schönes Laub an sich; 
Dürft' ich mir wünschen noch etwas, 
So wünscht' ich mir Blätter von hellem Glas."
	        
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