und feste Oberkleider und darüber einen schützenden Wintermantel, daß
die Unbill des Wetters ihnen nichts anhaben kann. Die Knospe ist
umgeben von derben braunen Hüllblättern, und die jungen Zweiglein
und Laubblättchen und Blütlein, die in dieser Hülle stecken, tragen ein
dichtes, warmes Haarkleid als Unterzeug. Wo ist denn aber der Winter¬
mantel? Auch einen solchen hat die Knospe, denn sie ist von oben bis
unten versehen mit einem Harzüberzug, der jedes Ritzlein dicht macht,
weder Regen noch Schnee eindringen läßt und dem schlimmen Ostwind
wehrt, die jungen Triebe auszutrocknen. Mag der Winter tun, was er
will, den Knospen kann er nichts anhaben. — Endlich wehen wieder
die linden Westwinde, und die Sonne scheint wärmer. Die Knospen
der Kastanie glänzen, als wären sie frisch lackiert worden. Das Harz
wird weich. Die Zweiglein und Blättchen und Blütentriebe strecken sich.
Es wird ihnen zu eng und unbequem in der Winterkleidung. Sie werfen
die Hülle ab und streben hervor nach Luft und Licht und ziehen schlie߬
lich auch das Unterzeug aus, das warme Haarkleid. Dann steht der
Baum wieder da in Frühlingspracht.
Richt allein die Menschen haben erkannt, wie die Kastanie ihren
Knospen einen Winterschutz gibt, sondern auch die Bienen. Diese Tierchen
benutzen das Knospenharz, indem sie die Ritze in ihrem Vau damit
verkleben, daß nicht kalter Luftzug eindringen kann. Kommt aber ein
naschhaftes Mäuslein, den Honig zu stehlen, so wissen sie von ihren
Stacheln gar kräftig Gebrauch zu machen, und oft muß so ein Ein¬
brecher sein Leben lassen. Doch er ist im Tode gefährlicher als im Leben,
denn die Leiche würde, wenn sie in Verwesung übergeht, den ganzen
Stock verpesten. Da sammeln die klugen Bienchen Knospenharz und
geben ihr einen luftdichten Überzug. Run ist die Gefahr beseitigt.
I5Ü. Die kleine Wohltäterin.
Friedrich Adolf Krummacher.
Es war ein kalter und strenger Winter. Da sammelte die kleine
Minna die Krümchen und Brosamen, die übrig blieben, und bewahrte
sie. Dann ging sie hinaus zweimal am Tage auf den Hof und
streute die Krümchen hin. Und die Vöglein flogen herbei und
pickten sie auf. Dem Mädchen aber zitterten die Hände vor Frost
in der bitteren Kälte.
Die Eltern freuten sich des lieblichen Anblicks und sprachen:
„Warum tust du das, Minna?“