Full text: [Teil 2 = 4. u. 5. Schulj] (Teil 2 = 4. u. 5. Schulj)

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2. Und so kamen sie in den Entenhof hinein. Ein erschrecklicher 
Lärm herrschte drinnen; denn zwei Familien bekämpften sich um 
einen Nalkopf, und trotzdem bekam ihn die Katze. 
„Seht, so geht es in der Welt zu!" sagte die Entenmutter und 
schnappte mit dem Schnabel, denn sie wollte auch den Aalkopf 
haben. „Gebraucht nun eure Beine," sagte sie; „seht zu, datz ihr euch 
etwas beeilt, und neigt den Hals vor der alten Ente dort. Sie ist die 
vornehmste von allen hier. Wie ihr seht, trägt sie einen roten Lappen 
um das Bein. Das ist etwas unvergleichlich Schönes und die höchste 
Auszeichnung, die je eine Ente erhalten kann. Es soll andeuten, datz 
man sie nicht verlieren will, und datz sie Tieren und Menschen 
kenntlich sein soll. Rappelt euch! Sputet euch! Richt die Beine 
einwärts! Ein wohlgezogenes Entlein setzt die Beine weit aus¬ 
einander, gerade wie Vater und Mutter! Seht, so! Neigt nun 
enern Hals unb sagt: Rap!" Und das taten sie. Aber die andern 
Enten ringsumher betrachteten sie und sprachen: „Seht nur einmal, 
wie das eine Entlein aussieht! Das wollen wir nicht unter uns 
dulden!" Und sogleich flog eine Ente hin und bitz es in den Nacken. 
„Latz es zufrieden!" sagte die Mutter, „es tut ja niemand etwas." — 
„Ja, aber es ist so grotz und sonderbar," sagte die Ente, die es ge¬ 
bissen hatte, „und deshalb mutz es weggejagt werden." 
„Das sind schöne Kinder, die Mütterchen hat!" sagte herab¬ 
lassend die alte Ente mit dem Lappen um den Futz, „sämtlich schön, 
mit Ausnahme des einen." — „Es ist nicht hübsch," sagte die Enten¬ 
mutter, „aber es hat ein sehr gutes Gemüt und schwimmt ebenso 
vortrefflich wie die andern, ja, ich darf sagen, fast noch etwas besser. 
Ich denke, es wird sich auswachsen oder mit der Zeit kleiner werden." 
Darauf zupfte sie es im Nacken und fing an, es zu glätten. „Die 
andern Entlein sind ja ganz niedlich!" sagte die Alte. „Tut nun, 
als ob ihr zu Hause wäret, und findet ihr einen Aaltopf, so könnt 
ihr ihn mir bringen!" Und so waren sie wie zu Hause. 
3. Aber das arme Entleiu, das zuletzt aus dem Ei gekrochen und 
so hützlich war, wurde gebissen, gepufft und gehänselt von den Enten 
wie von den Hühnern. „Es ist zu grotz", sagten sie allesamt, und 
der Puterhahn, der mit Sporen geboren war und deshalb in dem 
Wahne stand, datz er Kaiser wäre, blies sich wie ein Schiff mit vollen 
Segeln auf, ging gerade darauf zu, kollerte und wurde ganz rot am 
Kopfe. Das arme Entlein wutzte weder, wie es stehen, noch wie es 
Heider und Nohl, Deutsches Lesebuch für Mittelschulen. II. Teil. 8
	        
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