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und Frömmigkeit. In den Stein neben ihm sind die Worte einge¬
graben: „Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren."
Ihm zur Seite schlummert seine Gemahlin, die Kaiserin Augusta,
das Antlitz mit einem feinen Spitzenschleier verhüllt. Auf dem
Haupte trägt sie um das Diadem den goldenen Myrtenkranz zur
Erinnerung daran, daß sie mit ihrem Gatten die Goldene Hochzeit
gefeiert hat. Die über der Brust gefalteten Hände halten ein Kruzifix,
von dem sich Blätter und Blüten der Passionsblume herabranken.
Auf dem Fußboden lesen wir den Spruch: „Seid fröhlich in Hoff¬
nung, geduldig in Trübsal, haltet an am Gebet!" Die Ecken der
Sarkophage werden von geflügelten, trauernden Löwen gebildet.
Auf den Seitenfeldern finden wir beim Kaiser Wilhelm als Sinn¬
bilder des Krieges: Helm, Schwert und Kriegsfackel mit Lorbeer-
und Eichenblüttern und als Zeichen des Friedens: Spinnrocken,
Hammer usw. Der Kaiserin sind die Sinnbilder der Frömmigkeit
und Mildtätigkeit beigegeben: Glaubenskelch und rotes Kreuz mit
Palmen und Lorbeer.
In heiliger, feierlicher Stimmung verlassen wir das hehre
Grabmal. Walter Nohl. (Originalartikel.)
149. Der Baltische Landrücken.
1. felsige Höhen, enge und tiefe Täler hat das nördliche Deutsch¬
land nicht. Eben breitet es sich aus wie das Meer, aus dem es sich
vorzeiten allmählich emporgehoben hat. Langsam ziehen die wasser¬
reichen Flüsse mtd Ströme zwischen niedrigen Ufern dahin, und die
Masten und Segel der Schiffe darauf schauen weit in das Land hinein.
Doch gibt es auch in diesem Teile unsers Vaterlandes sanfte Hebungen
und Senkungen. Die gewaltigen Gletscher, die vor vielen Jahr¬
tausenden die norddeutsche Tiefebene bedeckten, haben hier aus den
Gesteins- und Erdmassen, die sie mit sich führten, ein wellenförmiges
Höhenland aufgedämmt. An manchen Stellen nähert es sich der
Küste der Ostsee; aber nirgends reicht es ganz an sie heran. Auf
einem bis zu 100 Kilometer breiten Höhenrücken erheben sich sanft
gerundete Hügel aus Lehm, Sand und Kies, in dem zahlreiche
nulschelförmige Versteinerungen deutlich anzeigen, daß sie dem
Meere entstammen. Nach Westen hin dacht sich dieses Höhenland
immer mehr ab, bis es sich an der Osttüste der Jütischen Halbinsel
verliert. Die größte Höhe und Breite erreicht es in Ost- und West¬
preußen, wo einzelne Berge bis zu 300 Meter hoch emporragen.
2. Der schönste Schmuck dieses Höhenzuges sind die zahlreichen
kleinen und großen Landseen, die sich auf seiner ganzen Länge in
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