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durch das Arbeilerschutzgesetz die soziale Gesetzgebung zum vorläufigen
Abschluß brachte.
5. Kaiser Wilhelms Lebensabend. Der schlichte, ernste Kaiser war
kein Freund von Prachtentfaltung und rauschenden Festlichkeiten. Einfach,
in rastloser Arbeit floß sein Leben dahin. Erholung brachte ihm der all¬
jährliche Besuch der heilkräftigen Quellen zu Ems, Gastein und Wiesbaden,
sowie ein kurzer Aufenthalt auf der Insel Mainau im Bodensee und in
Baden-Baden. Ein freudiger, glanzvoller Tag war jedesmal der 22. März.
der Geburtstag des Kaisers, welcher eine auserlesene Schar fürstlicher Gäste
nach Berlin zu führen pflegte. Zu großartigen Festen gestalteten sich vor
allem die Feier der goldenen Hochzeit des Kaiserpaares (11. Juni 1879)
und des 90. Geburtstages Kaiser Wilhelms (22. März 1887). Das
ganze deutsche Volk jubelte seinem greisen Heldenkaiser an diesen Tagen in
»»geheuchelter Liebe und Verehrung zu. Schon rüstete sich Deutschland zur
Feier des 91. Geburtstages seines Herrschers, als eine kurze Krankheit am
9. März 1888 dem langen, inhaltsreichen Leben Wilhelms I. ein Ziel setzte.
Der Tod seines Enkels, des jugendlichen Prinzen Ludwig von Baden, und
die ernste Erkrankung des einzigen Sohnes und Thronerben Friedrich
Wilhelm (s. § 86, 5) hatten ihn in seinen letzten Tagen noch mit tiefem
Kummer erfüllt. Seine irdischen Reste ruhen im Mausoleum zu Char¬
lottenburg an der Seite seiner königlichen Ejtern.
6. Die Kaiserin August«. JrfA,: -
a) Jugendzeit. Marie Luise Katharina Aug-usta war am
30. September 1811 als Tochter des nachmaligen Großherzogs Karl
Friedrich von Sachsen-Weimar und der russischen Großfürstin Maria
Paulowna geboren. Ihre Mutter ließ ihr, von Goethe unterstützt, eine
ausgezeichnete Erziehung zuteil werden; vor allem aber lenkte sie, selbst
eine große Wohltäterin der Armen, den Sinn ihrer Tochter von frühester
Jugend an auf die Ausübung der Werke christlicher Nächstenliebe und Barm¬
herzigkeit.
b) Augusta als Prinzessin von Preußen. Am 11. Juni 1829
vermählte sich die jugendschöne Prinzessin Augusta mit dem Prinzen Wilhelm
von Preußen. Ihre erste Tat in Berlin war eine hochherzige Spende
an die Armen, gleichsam eine öffentliche Erklärung, daß sie eine Mutter der
Armen sein wolle. In stillem häuslichen Glücke verflossen die ersten Jahre
der Ehe. Nur selten trat die Prinzessin Wilhelm an die Öffentlichkeit;
um so sorgfältiger überwachte sie die Erziehung ihrer beiden Kinder, des
Prinzen Friedrich Wilhelm und der Prinzessin Luise. Einfachheit,
Gottesfurcht und Nächstenliebe pflanzte sie ihnen ein, und der Same, den