Reinick. Bernhards
199
II. Lrzählungen.
a) Stoffe aus dem allgemeinen Menschenleben.
90. Der Faule.
Von Robert Reinick. Lieder und Fabeln für die Jugend. Leipzig, 1849.
1. „Heute nach der Schule gehen,
Da so schönes Wetter ist?
Nein, wozu denn immer lernen,
Was man später doch vergißt?
2. Doch die Zeit wird lang mir
werden,
Und wie bring' ich sie herum? —
Spitz, komm her! Dich will ich
lehren,
Hund, du bist mir viel zu dumm!
3. Andre Hund' in deinem Alter
Können dienen, Schildwach stehn,
Können tanzen, apportieren,
Auf Befehl ins Wasser gehn.
4. Ja, du denkst, es geht so weiter,
Wie du's sonst getrieben hast.
Nein, mein Spitz, jetzt heißt es lernen.
Hier! Komm her! Und aufgepaßt!
5. So — nun stell'dich in die Ecke —
Hoch! Den Kopf zu mir gericht't! —
Pfötchen geben! — So! Noch einmal!
Sonst giebt's Schläge! — Willst du
nicht?
6. Was? Du knurrst? Du willst
nicht lernen?
Seht mir doch den faulen Wicht!
Wer nichts lernt, verdienet Strafe,
Kennst du diese Regel nicht? —
7. Horch! — Wer kommt?" — — Es ist der Vater.
Streng ruft er dem Knaben zu:
„Wer nichts lernt, verdienet Strafe!
Sprich, und was verdienest du?"
91. Der Löwe zu Florenz.
Von August Bernhard!. Aus A. W. Schlegels Musenalmanach. Tübingen, 1802.
1.„DerLöw'istlos!DerLöw'istfrei! j Fern von der sorglichen Mutter Hand,
Die ehernen Bande sprengt' er ent-! Saß auf dem Markt am Brunnenrand.
zwei!
Zurück, daß ihr den vergeblichen Mut
Nicht schrecklich büßet mit eurem
Blut!"
2. Und jeder suchte mit scheuer Eil'
In des Hauses Innern Schutz und
Heil;
Auf Markt und Straßen rund umher
Ward's plötzlich still und menschenleer.
3. Ein Kindlein nur, sein unbewußt,
Verloren in des Spieles Lust,
4. Wohl viele sahn von oben herab,
Sie schauten geöffnet des Kindleins
Grab;
Sie rangen die Hände und weinten sehr
Und blickten zagend nach Hilf' umher.
5. Doch keiner wagt das eigeneLeben
Um des fremden willen dahinzugeben;
Denn schon verkündet ein nahes Ge¬
brüll
Das Verderben, das jeglicher meiden
will.