Full text: [Teil 1 = 2. u. 3. Schulj] (Teil 1 = 2. u. 3. Schulj)

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und Bilderbücher für Kinder anmalen gelehrt, und so hatte er 
seine Heiterkeit und sein kindliches Gottvertrauen bald wieder¬ 
gefunden. 
2. Nachdem er ins Lazarett seiner Garnisonstadt Potsdam 
versetzt worden war, erhielt er am letzten Tage vor seiner Ent¬ 
lassung in die Heimat Erlaubnis, mit einem Freunde nach Sans¬ 
souci spazieren zu gehen. Dort trafen sie in den Gartenanlagen 
den Kronprinzen mit seiner Gemahlin und vier Kindern, deren 
kleinstes von einer Wärterin im Wagen gefahren wurde. Der Kron¬ 
prinz ging gleich auf ihn zu, fragte ihn nach seiner Verwundung 
und Verpflegung, grüßte freundlich und ging weiter. 
3. „Seine Frau sagte ihm aber etwas,“ erzählte der tapfere 
Gardist, „und da drehte er sich um und winkte uns, und sein 
Kammerdiener kam auf uns zu und beschied uns, wir möchten der 
kronprinzliehen Familie auf ein Bauerngut, Bornstedt, welches der 
Kronprinzessin Eigentum ist, folgen. Dort wurde für uns der Tisch 
gedeckt; die Kronprinzessin stand selbst in der Küche, ordnete 
alles, an, und die kronprinzlichen Kinder mußten uns bedienen. 
Sie brachten Wem und Obst und Butterbrote, und der Kronprinz 
reichte uns Zigarren; ich habe noch welche davon, die bringe ich 
meinem Vater mit. Ich habe auch noch drei Äpfel, die sind für 
Mutter und Schwestern. Die Kronprinzessin ging immer eine Zeit¬ 
lang aus der Stube und sagte, nun müßten wir uns nicht genieren, 
wir dürften nichts übrig lassen. Aber das konnten wir unmöglich 
alles essen; da habe ich es in die Tasche gesteckt. 
4. Nachher mußten wir erzählen; die Kinder fragten, und der 
Kronprinz sagte, ich müßte das aus Gottes Hand annehmen, 
es sei sonst zu schwer, so jung schon verstümmelt durchs Leben 
zu gehen. Dann mußte ich ihm erzählen von meiner Aussicht auf 
die Flurschützenstelle und von meinen Eltern. Da sagte der Kron¬ 
prinz: „Du sollst noch etwas extra haben von meines Vaters Wil¬ 
helmstiftung, Kamerad! Wenn du wieder zu Hause bist, dann läßt 
du dir einmal einen Brief an mich schreiben.“ — „Kaiserliche 
Hoheit, ich kann selber schreiben!“ rief ich. — „Was! Du kannst 
mit der linken Hand schreiben?“ — „Ja, das hat mich unsre liebe 
Frau gelehrt, die war gerade wie unsre Mutter.“ — „Nun, dann 
schreibst du mir selbst einen Brief, ob du die Flurschützenstelle 
bekommen hast, und legst deine Papiere ein, hörst du! Und dann 
will ich das mal alles meinem Vater vortragen, dann wird er dir 
ein hübsches Jahrgehalt bewilligen!“ 
Richard Lauxmann.
	        
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