Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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„Dir und mir ist niemand Huld — das ist unser beider Schuld" war so 
ein Leibliedlein von ihr, des sich Luther später manchmal erinnert und 
getröstet hat. Auch sie fackelte nicht und schlug einmal ihren Martin 
wegen einer Nutz bis aufs Blut. — Und doch hat's Luther den Eltern 
nie vergessen, wie hart sie sich ihrer Kinder willen geplagt, und wie seine 
Mutter das Holz auf dem Rücken zusammengeschleppt: „sie haben's doch 
herzlich gut mit mir gemeint." Und später hat er bis zu ihrem Tode 
gezeigt, in welch hohen Ehren er seine lieben Eltern hielt. 
3. Als Luther in Mansfeld gelernt hatte, was da zu lernen war, 
zog er mit seiner Weisheit nach Magdeburg, wo ihn sein Vater hintat. 
Schon auf der Reise galt's, sich das Brot ersingen vor den Häusern. 
Sein Freund und Genosse hietz Hans Reinicke, eines Bergvogts Sohn, 
mit dem er zeitlebens in Freundschaft blieb; der zog mit ihm zu den 
Rullbrüdern, die eine Schulanstalt hatten. Ob, was er dort gelernt, auch 
gleich Rull war, wird nicht gemeldet, uns scheint es so; denn er trieb 
nur kurze Zeit sein Wesen dort. 
Eins aber blieb dem jungen Martin unvergetzlich in Magdeburg. 
Er sah dort einen Fürsten von Anhalt, der in der Barfützerkappe, unter 
einen schweren Sack gekrümmt, auf der Stratze um Brot bettelte und durch 
Fasten, Wachen und Kasteien bis auf Bein und Haut abgemagert war. 
4. Rach einem Jahr schickten ihn die Eltern nach Eisenach, weil 
sie dort Verwandte hatten, von denen sie hofften, sie würden dem 
Knaben beistehen. Aber ob diese nicht konnten oder nicht wollten — 
Luther mutzte dort erst recht Parteken (Brocken) sammeln. „Zch bin 
auch ein solcher Partekenhengst gewesen und habe sonderlich in Eisenach 
drum laufen müssen." An manchen Türen gab's wenig und an 
vielen auch gar nichts. Aber Gott, der die Sperlinge unter dem 
Himmel ihr Brot finden lätzt, hatte auch für seinen Martin Luther 
ein Stück Brot schon im Kasten liegen. Als der Knabe so einige Zeit 
herumgesungen hatte, nahm ihn eine Matrone, d. h. eine vornehme Frau, 
in ihr Haus und an ihren Tisch auf, weil sie zu ihm um seines hellen 
Singens und andächtigen Gebetes willen eine sehnliche Zuneigung gefatzt 
hatte. Es war die Frau Cotta, deren Mann aus einem adligen Geschlechte 
italienischen Ursprungs stammte. Die Cottas waren Kaufleute und ihrer 
mehrere später Bürgermeister. Es war eine Hand Gottes, die ihn da 
hineinführte, wo der Knabe in jener oft so rohen Schülerzeit und in den 
Zähren, wo die Buben just keine angenehme Manier haben, milde Zucht 
und feine Sitte lernen konnte. Das war für später gesorgt, wo er so 
oft und viel mit den Grotzen dieser Welt zusammenkommen sollte. 
5. Zn Eisenach war auch die Schule besser und hatte doch einen 
richtigen Stil, d. h. es satz nicht alles auf einem Haufen beieinander, 
alt und jung, sondern sie hatten drei ordentliche Klassen. Zn andern Schulen
	        
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