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3. (Ein Heim im Keller.
1. „Gustchen Möller wohnt im Keller! Gustchen Möller wohnt im
Keller!" das sang ich den ganzen Weg, als ich zu Möllers ging. Gustchen
Möller hatte mich zu ihrem Geburtstag eingeladen. Wir kriegten da
Schokolade zu trinken, und nachher guckten wir aus dem Kellerfenster.
Es kam mir vor, als wenn es schon Abend wäre; aber draußen war es
doch ganz hell gewesen. Es mußte kommen, weil das Kellerfenster halb
in dem Kellerloche war und nur oben einen ganzen schmalen, hellen Rand
hatte, wo man auf die Straße sehen konnte. Herr Möller ist ein Schuster,
und Frau Möller nimmt Zeug zum Rollen an. Hinter dem kleinen Laden
in einer Stube stand die große Rolle, und weiter war gar nichts in der
Stube. Richt einmal ein Fenster war da. Sie brennen da Tag und Nacht
Licht, sagt Gustchen. An der Decke hängt eine Petroleumlampe. Es war
aber doch ziemlich dunkel da; die Wände hatten keine Tapeten, sie sahen
so dunkelgrau aus und in den Ecken beinahe schwarz. An einigen Stellen
saß etwas Weißes daraus, wie Salz ungefähr. Gustchen sagte, das täte
nichts, das wäre Salpeter, sagte ihr Vater, aber ich mochte nicht gern
in der Rollstube sein. Wir gingen wieder in die Wohnstube. Sie roch
ganz nach Leder, wie der Laden. „Komm auf die Fensterbank!" sagte
Gustchen Möller. Zn dem Kellerloche sah es ganz dunkel aus, da krochen
ein paar ganz kleine platte, runde Tiere herum. Ich erschrak.
Gustchen Möller lachte mich aus. „Das sind bloß 'n paar Kellerschaben,
die tun einem nichts." Über das Kellerloch war ein eisernes Gitter gedeckt,
dadurch wurde es noch dunkler in der Kellerstube.
2. „Paß auf! Da kommen Leute!" sagte Gustchen.
Aber ich sah keine Leute, ich sah nur Beine und Stiefel, die da vor¬
übergingen. Wir fingen an zu raten, wem die Stiefel wohl zugehörten,
die vorbei kamen. Gustchen konnte das viel besser als ich.
„Das ist ein Arbeiter! Der hat Strapazierstiefel an. Solche macht
mein Vater auch nach Maß. Das ist eine feine Dame. Sie hat feine,
hohe Knopfstiefel, ganz neue sogar, die Sohlen sind noch hell. Und sie
trägt einen seidnen Unterrock bei dem Regenwetter! Der kleine Zunge
hat zwei Riester auf jedem Stiefel, der ist gewiß 'n Reißteufel. Guck,
da kommt eine alte Mutter mit Tuchstiefeln mit breiten Schnauzen! Die
hat gewiß Leichdörner. Ach, die kleine Holzpantoffeldirn! Was die klap¬
pert! Das spritzt ordentlich, wo die hintritt!" So sah Gustchen ganze
Menschen laufen, wo ich nur Füße und ein klein Stück Rock oder Hoss
oder Strumpf sehen konnte.
„Das hat Großmutter mich gelehrt," sagte Gustchen vergnügt, „Gro߬
mutter war lahm und saß immer auf der Fensterbank, bis sie gestorben ist."
Manchmal sah ich neben den Füßen auch einen Spazierstock. Er tipptz