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,Dat is all min," und auf diesem kleinen Stück der großen Erde lebt
er wie ein Kleinkönig unter den Seinen. Und wieder aus diesem
Königsgefühl erklärt sich die Abneigung, von dem ererbten Besitz zu
verkaufen. Selbst den Tausch von Ackerstücken lehnt er ab: „Dat heft
im jümmer so hatt." Auch in dem Bauern steckt etwas von der Empfindung,
allzeit ein Mehrer des Landes zu sein und seinen Hof nicht kleiner, sondern
größer dem Erben zu hinterlassen.
5. Vervollständigt wird das Bild des Heidjers durch die ganz eigen¬
tümlichen kirchlich-religiösen Verhältnisse. Ihr Schöpfer ist Ludwig Harms,
selber aus altem Bauerngeschlecht und ein Kind der Heide (geb. zu
Walsrode 1808, gest. zu Hermannsburg 1865). Man hat ihn den Prophe¬
ten der Heide genannt, und in der Tat steckt in ihm etwas von der
Riesenkraft dieser altjüdischen Volkshelden. Und da er ein unvergleichlicher
Volksmann war voll germanischer Empfindung, so verwandelte sich unter
seinen Händen die Bibel zu einem deutschen Buche. Die jüdischen Erzväter
werden zu frommen Großbauern der Heide, die Propheten zu Lüneburger
Predigern, der junge David wird dem Hermann Billung der Sage ähnlich,
wie er in Stübeckshorn seines Vaters Herde weidet, und selbst Gottvater,
der seinem auserwählten Volke der Lüneburger Heide Regen und Sonnen¬
schein spendet, wenn es an der Zeit ist, gewinnt bäuerliche Züge. Als
Krönung des religiösen Lebens schuf er die Heidenmission. Uralter Zug
in die Ferne, germanische Wanderlust mag kaum bewußt zu dem staunens¬
werten Gedeihen dieser Hermannsburger Bauernmission beigetragen haben.
Heimatliebe, altsächsisches Volkstum und Religion floß bei ihm in eins
zusammen. Daher hielt er die großen Missionsfeste am liebsten an den
geschichtlichen Stätten der Heide ab. Bei diesen Festen erzählte er in
schlichter, rreuherziger Rede bald plattdeutsch, bald hochdeutsch von der
sächsischen Vorzeit. Sein schönes Volksbuch „Goldene Äpfel in silbernen
Schalen gesammelt" ist aus solchen Ansprachen allmählich entstanden.
Stiller, aber vielleicht noch wirkungsvoller war seine Arbeit am Herdfeuer
der Bauernhäuser. Dort saß er im Flett oder, wenn der Kreis größer
wurde, auf weiter Diele, die geliebte Pfeife im Munde, ringsumher die
Hofgenossen, unermüdlich sie lehrend, mit hingebender Geduld ihren kinder¬
sinnigen Sorgen sich neigend, ein Vater unter den Seinen. Zu Tausenden
sind sie von weither zu ihm gewallfahrtet. So ist er der Schöpfer eines
besonderen Lüneburger Bauernchristentums geworden, und das rege
kirchliche Leben in der Heide, wie es sich noch heute zeigt, ist zumeist
sein Werk.
6. Fromme Sprüche stehen über dem Hauseingang, fromme Bilder
schmücken die Wände, selten fehlt das Bild von Ludwig Harms oder
seines Missionsschiffes, der „Kandaze". Nicht leicht mag so viel gebetet
werden wie hier. Erschallt die Glocke, so kann man bisweilen die Bauern