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auf sie seine wilden Hunde und ließ sie zerreißen. Da hob das Mütterlein
noch einmal seine blutende Hand gen Himmel und flehte um Strafe für
den Wüterich. Und die Strafe folgte der Untat! Der König und seine
Gemahlin, die kalt zugesehen hatten, wurden in riesige Felsen verwandelt
zum warnenden Beispiel für herzlose und grausame Menschen.
4. Früher standen Obersee und Königsee in Verbindung. Erst durch
die herabstürzenden Blöcke ist der breite Damm entstanden, der jetzt die
beiden Seen trennt. Freilich hat es Jahrhunderte gedauert, ehe dieser
Damm so breit und fest wurde, wie er jetzt ist.
Natürlich macht der Königsee nicht immer ein freundliches Gesicht.
Während eines Gewitters schaut er anders aus. Der Sturm braust hin
über den See und peitscht das Gewässer zu Schaum. — Furchtbar hallt
der Donner wieder von den steilen Wänden und Felsen. Wehe dann
denen, die im kleinen Kahne sich auf dem See befinden. Die Wellen stürzen
den Nachen um und begraben die Insassen in der Flut. Es liegt manch
Menschenkind tief drunten im See begraben, das froh und wohlgemut
vom Ufer abstieß!
5. Wir wandern zurück bis Berchtesgaden, um dort über Nacht zu
bleiben. Der Tag neigt sich zu Ende. Die letzten Strahlen der Sonne
vergolden die Wolkenschäfchen am Himmel. Wir suchen ein behagliches
Gasthaus auf. Schon viele Reisende sind dort eingetroffen. Sie sitzen
vor dem Hause und bewundern die Reize der Berglandschaft!
Julius Tischeudorü
210. Der Geißbub in den Klpen.
1. Eeißbuben nennt man die Ziegenhirten in der Schweiz. Es sind
meistens Jungen von 14—16 Jahren, die mit ihren Herden hinauf in
die Alpen ziehen, sobald der Frühling beginnt, und erst im Herbst wie¬
der von den Bergen hinunter ins Tal steigen. Wohin kein Senn mit den
schweren Kühen treiben darf, weil Weg und Steg verschwinden, da klettert
der braune, fröhliche Knabe mit der meckernden Ziegenschar hinauf und
träumt sich größer und reicher als Könige und Kaiser. Sein Gebiet
ist da, wo der Adler kreist und die Gemse weidet, hart an der Grenze
des ewigen Schnees, der Wolken und der Stürme. Zwar ist das Gras
hier spärlich, aber man läßt in der Schweiz nicht leicht einen Grashalm
unbenutzt, und je höher dieser wächst, um so würziger und kräftiger ist er.
Menschenhände würden diese kräftigen Kräuter und Gräser in dem Gewirr
der Felsen nicht abzumähen vermögen; die kletterlustigen Ziegen wissen sie
zu finden, und der Geißbube hängt mit ihnen oft wie ein Schieferdecker
über schrecklichen Abgründen oder klettert an Felswänden wie eine Katze
entlang, wo kaum ein Fuß Platz hat, wo eine einzige Ungeschicklichkeit un¬
barmherzig in den Abgrund führt, wo ein zollbreit rechts oder ein zollbreit