Full text: [Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj] (Teil 2 = 4., 5. u. 6. Schulj)

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sammen; denn vor ihr stand ihr gestorbnes ftinb. Das war ein seliger 
Engelein geworden und lächelte süß wie die Unschuld und schön wie Ver¬ 
klärung. Es trug aber in seinen Händchen ein Krüglein, das war schier 
übervoll. Und das Kind sprach: „O lieb Mütterlein, weine nicht mehr 
um mich! Siehe, in diesem Krüglein sind deine Tränen, die du um 
mich vergossen hast; der Engel der Trauer hat sie in dieses Gefäß ge¬ 
sammelt. Wenn du nur noch eine Träne um mich weinst, so wird das 
Krüglein überfließen, und ich werde dann keine Ruhe haben im Grabe 
und keine Seligkeit im Himmel. Darum, o lieb Mütterlein, weine nicht mehr 
um dein Kind; denn dein Kind ist wohl aufgehoben, ist glücklich, und 
Engel sind seine Gespielen." Damit verschwand das tote Kind, und die 
Mutter weinte hinfort keine Träne mehr, um des Kindes Grabesruhe und 
Himmelsfrieden nicht zu stören. Ludwig Bcchstei«. 
17. Nachbar Helm und seine Linde. 
1. 3™ Häuslein gegenüber, da wohnt ein Zimmermann, 
heut vor dem Haus die Linde hub er zu fällen an. 
Ich sprach: „Gott grüß' Euch, Nachbar! Doch sagt, was Ihr 
beginnt? 
Der Baum beschützt das Häuslein vor Wetter doch und wind!" 
2. Da hielt er an und schaute von seiner Arbett auf 
und sah mich an und blickte zur Linde hoch hinauf; 
dann legt' er beide Hände still auf sein Arbeitszeug, 
lehnt' an den Baum und sagte: „Nachbar, ich danke Euch! 
Die Linde pflanzt' mein Vater, als ich geboren war. 
Sie grünt und blüht alljährlich schon über siebzig Jahr. 
Mein Weib am Hochzeitstage — sie war ein junges Blut — 
steckt' mir von diesem Baume ein Zweiglein an den Hut. 
viel Gäste tät ich laden, zu enge ward das Haus, 
hier unter dieser Linde, da hielten wir den Schmaus. 
Ein Sohn ward uns geboren, da gab sich's viel zu freun, 
und seinen Namen grub ich in diese Linde ein. 
5. Die Linde wuchs und prangte, der Knabe ward ein Mann; 
bei Leipzig in der Ebne stand er im Heeresbann. 
Zum Kampfe ziehend trug er zwei Lindenzweig' am Hut; 
bei Leipzig an den Wällen verrann sein junges Blut. 
6. Nun hängt in unsrer Kirche die Tafel an der Wand, 
da steht: „Franz Helm, gestorben für König und Vaterland." 
Mein Weib und ich, wir weinten viel um den guten Franz, 
tvir wanden um die Tafel frisch einen tindenkranz.No full text available for this image
	        
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