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einem Einfalle in Italien. Dieser zog an der Spitze seiner Gothen ver-
Heerend durch Griechenland, von da nach Italien. Noch gelang es Sti-
licho, den Länderverwüster von Rom abzuhalten. Er schlug ihn zuerst
bei Pollentia (402), dann bei Verona und bewog ihn zuletzt durch Be-
williguug einev ^ahrgehaltes und Ernennung zum Obet'fcldhcrru des
westlichen Jllyriens, das damals zum abendländischen Reiche gehörte,
zur Umkehr. — Kaum aber hatte Alarich den römischen Boden verlassen^
als mächtige Scharen germanischer und gallischer Stämme unter An-
sühruug des Gothen 3!a daga is über die Alpen in Italien einbrachen
lind mit schrecklicher Verwüstung ihren Weg bezeichneten. Auch diese be¬
siegte ötilicho; Radagais selb>t wurde gefangen und hingerichtet (404).
Der zweimalige Netter Roms und Italiens erntete aber nicht den
wohlverdienten Lohn. Seine Feinde benutzten den Umstand, daß er sich
mit Alarich in einen Vertrag eingelassen, zur Anklage auf Hochverrath.
Und der Kaiser Honorius, welchen Stilicho mit seiner Tochter vermählt
hatte, schöpfte nunmehr so argen Verdacht gegen seinen Schwiegervater,
daß er ihn hinrichten ließ. Das hörte Alarich. Ergrimmt über die
Voreuthaltung des Tributs rückte er sofort wieder in Italien ein (408).
Er ließ Ravenna, wohin sich Honorius geflüchtet hatte, zur Linken liegen
und schlug im Angesichte Roms sein Lager auf. Seit Hannibal's Zeit
hatte mau keinen Feind vor Roms Thoren gesehen; die ganze Stadt
gerieth in die größte Bestürzung. Als die Roth auf's Höchste stieg,
schickte sie Gesandte mit Friedensvorschlägen in das gothische Lager. Die
Gesandten dachten, durch eine Schilderung der ungeheuren Macht ihres
Volkes den rohen Helden zu schrecken und ihn so für die Annahme der
Vorschläge leicht zu gewinnen. Alarich aber lachte laut und rief: „Je
dichter das Gras, um so leichter das Mähen!" Anfangs verlangte er
als Bedingung des Abzuges alles Gold und Silber der Stadt; hob aber
doch, als man ihm 5000 Pfund Gold und 30 000 Pfund Silber ver¬
sprach, die Belagerung auf und zog ab.
Der Kaiser Honorius wollte den Vertrag nicht gelten lassen, welchen
die Römer mit Alarich geschlossen hatten. Da kehrte dieser gleich im
folgenden Jahre nach Rom zurück und setzte einen anderen Kaiser, Atta-
Ins, ein. Doch nicht lange hatte sich dieser seiner neuen Würde zu
erfreuen. Alarich setzte ihn wieder ab, weil er nicht nach seinem Sinne
regierte, und knüpfte mit Honorius neue Unterhandlungen an. Vorzüg¬
lich bestand er auf seiner, früher oft gestellten Forderung, seinem Volke
feste Wohnsitze einzuräumen. Als aber seine Unterhandlungen fruchtlos
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