Full text: [Teil 1 = 2. u. 3. Schulj] (Teil 1 = 2. u. 3. Schulj)

— 207 
Sobald der Tag graute, ließen ihn die beiden Kinder hinaus, und er trabte 
über den Schnee in den Wald hinein. Von nun an kam der Bär jeden 
Abend zu der bestimmten Stunde, legte sich an den Herd und erlaubte 
den Kindern, Kurzweil mit ihm zu treiben, soviel sie wollten. Sie waren 
so gewöhnt an ihn, daß die Tür nicht eher zugeriegelt ward, als bis 
der schwarze Gesell angelangt war. 
4. Als das Frühjahr herangekommen und draußen alles grün war, 
sagte der Bür eines Morgens zu Schneeweißchen: „Nun muß ich fort 
und darf den ganzen Sommer nicht wiederkommen." „Wo gehst du denn 
hin, lieber Bar?" fragte Schneeweißchen. „Ich muß in den Wald und 
meine Schätze vor den bösen Zwergen hüten. Im Winter, wenn die Erde 
hart gefroren ist, müssen sie wohl unten bleiben und können sich nicht 
durcharbeiten; aber jetzt, wenn die Sonne die Erde aufgetaut und erwärmt 
hat, da brechen sie durch, steigen herauf, suchen und stehlen. Was ein¬ 
mal in ihren Händen ist und in ihren Höhlen liegt, das kommt so leicht 
nicht wieder an des Tages Licht." Schneeweißchen war ganz traurig 
über den Abschied, und als es ihm die Tür aufriegelte und der Bär 
sich hinausdrängte, blieb er an dem Türhaken hängen, und ein Stück 
seiner Haut riß auf, und da war es Schneeweißchen, als hätte es Gold 
durchschimmern sehen; aber es war seiner Sache nicht gewiß. Der Bär 
lief eilig fort und war bald hinter den Bäumen verschwunden. 
5. Nach einiger Zeit schickte die Mutter die Kinder in den Wald, 
Reisig zu sammeln. Da fanden sie draußen einen großen Baum, der lag 
gefällt auf dem Boden, und an dem Stamme sprang zwischen dem Gras 
etwas auf und ab; sie konnten aber nicht unterscheiden, was es war. Als sie 
näher kamen, sahen sie einen Zwerg mit einem alten, verwelkten Gesicht 
und einem ellenlangen, schneeweißen Barte. Das Ende des Bartes war 
in eine Spalte des Baumes geklemmt, und der Kleine sprang hin und 
her wie ein Hündchen an einem Seil und wußte nicht, wie er sich helfen 
sollte. Er glotzte die Mädchen mit seinen roten, feurigen Augen an und 
schrie: „Was steht ihr da! Könnt ihr nicht herbeigehen und mir Bei¬ 
stand leisten?" „Was hast du angefangen, kleines Männchen?" fragte 
Rosenrot. „Dumme, neugierige Gans," antwortete der Zwerg, „den 
Baum habe ich mir spalten wollen, um kleines Holz in der Küche zu 
haben. Bei den dicken Klötzen verbrennt gleich das bißchen Speise, das 
unsereiner braucht, der nicht so viel hinunterschlingt wie ihr grobes, 
gieriges Volk. Ich hatte den Keil schon glücklich hineingetrieben, und es 
wäre alles nach Wunsch gegangen; aber das verwünschte Holz war zu
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.