Full text: [Teil 3 = 4. Schulj] (Teil 3 = 4. Schulj)

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auf der Erde und macht im hellen Feuerschein ein Schattenspiel. 
Ein niedliches Kaninchen hüpft an der Wand dahin und frißt und 
macht Männchen. Da läßt der Vater mit seinen Händen ein großes 
Krokodil auf das Kaninchen losspringen, und es beginnt eine Jagd 
an der Wand, das Kaninchen springt, und das Krokodil schnappt. 
Die Kinder lachen und jubeln, bis endlich das Krokodil das Kanin¬ 
chen aufgefressen hat. 
Nun kommt auch die Mutter ins Zimmer und fragt: „Soll ich 
auch die Lampe bringen?“ „Oh nein! Oh nein!“ rufen alle „Wir 
brauchen sie noch nicht.“ Auf die Ofenplatte legt die Mutter Äpfel, 
die fangen bald an zu puffen und zu zischen, und dann setzt sie 
sich auch mit in den Kreis um das Feuer. 
2. Da sitzen nun alle, und es ist einen Augenblick ganz still im 
Zimmer und nichts zu hören als das Ticken der Uhr, das Knistern 
des Feuers und das Heulen des Windes da draußen. — „Bitte, Vater, 
eine Geschichte!“ sagt Erna, und die drei andern Kinder stimmen 
ein: „Oh ja! oh ja! Eine Geschichte, Vater! Bitte, erzähl uns eine 
Geschichte!“ — Der Vater im Lehnstuhl hat in die rote Ofenglut ge¬ 
starrt und blickt nun verloren über die Köpfe seiner Kinder und dann 
wieder in das Feuer und sagt: „So wie ihr jetzt um mich herum¬ 
sitzet dicht am Feuer und auf das Heulen des Windes hört und 
wie die Bratäpfel im Ofen schmoren, so hab' auch ich, als ich so alt 
war wie ihr, oft zu Hause bei meinem Vater gesessen und ihn um 
eine Geschichte gebeten. Und euer Großvater hatte schon als Kind 
viel erlebt, und manches, was jetzt in euren Büchern steht aus der 
Franzosenzeit hat er mit eigenen Augen gesehen und eigenen Ohren 
gehört. Und Großmutter, die dann mit ihrem Spinnrade dabei saß, 
hat oft mit dem Kopfe genickt und ab und an ein Wort dazwischen¬ 
geworfen und sich gefreut, daß die schreckliche Zeit vorüber war. 
Ja, das waren die schönsten Stunden, die ich als Kind erlebt habe, 
die Stunden, in denen der Vater aus alten Zeiten und wie es draußen 
in der Welt aussah, erzählte. Sonst bin ich auch nur einsam auf¬ 
gewachsen, und ihr wißt ja schon, daß das Haus der Großeltern 
weitab von allen Menschen mitten in einer einsamen Heide lag. 
Und quer durch die Heide schlängelte sich ein breiter, sandiger 
Weg mit tief ausgefahrenen Wagenspuren. An dem Wege hat 
unser Haus gelegen, und dicht vor der Haustür hat eine dicke, 
weiße Birke gestanden, die das ganze Dach überragte und im Sommer 
den Weg beschattete. Und selten kam ich von Hause fort. Ich 
war ganz allein und hatte keine Spielgefährten. Nur in der Schule 
bekam ich fremde Kinder zu sehen. Und der Schulweg war lang 
und einsam, zwei Stunden brauchte ich und mußte ihn zum größten 
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