Full text: [Teil 3 = 4. Schulj] (Teil 3 = 4. Schulj)

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nach denen die Gartenanlagen gemacht wurden, und pflanzte mit 
eigener Hand die Obstbäume, die sie aus Holland bezogen hatte. 
Selbst wenn sie mit ihrem Gemahl auf Reisen war, mußte ihr der 
Verwalter berichten, wie es in Oranienburg ging; sobald sie aber 
nach Berlin zurückkehrte, war ihr liebster Ausflug nach Oranienburg. 
6. Bald nach Tische wurde der kurfürstliche Wagen mit vier Pferden 
bespannt; denn es kostete nicht wenig Anstrengung, die schwere Karosse 
auf den sandigen Wegen fortzubringen. Langsam fuhr der Wagen 
dahin. Die Kurfürstin hatte Zeit, die Gegend genau zu betrachten. 
Wie sehr hatte sich alles verändert seit dem Jahre 1650! Damals 
sah man rechts und links vom Wege nur Gestrüpp, wild aufschießende 
Sträucher und junge Bäume; die Wiesen am Flusse waren öde und 
leer. Jetzt erblickte man überall Stoppelfelder, die von fleißigem 
Ackerbau zeugten; auf den Wiesen weidete schönes Vieh, und in der 
Ferne erhob sich ein neu erbauter Kirchturm über die Häuser eines 
kürzlich angelegten Dorfes. 
7. Unter allerlei Gesprächen waren die kurfürstlichen Herrschaften 
in Oranienburg angekommen. Wie still und friedlich lag der Ort da! 
Um das Schloß breitete sich ein schattiger Park mit wohlgepflegten 
Bäumen aus; daran schloß sich ein Garten, der reich war an schönen 
Blumen und prächtigen Obstbäumen. Dann kam man zur Meierei. 
Das Gebäude war einfach, aber schmuck und dauerhaft. Auf dem 
Hose herrschte überall Ordnung und Sauberkeit. 
8. Als der Wagen in den Hof einfuhr, trat ein treuherzig aus¬ 
sehender Mann an die Kurfürstin heran. Es war der Verwalter 
Sturm, der die Aufsicht über die ganze Meierei zu führen hatte. Er 
verbeugte sich und sprach: „Eure Durchlaucht haben es heute recht 
glücklich getroffen. Wir haben heute die ersten Erdäpfel eingeerntet 
und wollen sie den Leuten zum Abendessen vorsetzen. Gewiß wird es 
Ihnen Freude machen, die seltenen Knollen so gut geraten zu sehen." 
„Ganz gewiß," entgegnete die Kurfürstin lebhaft. Sie war es 
ja, welche die ersten Kartoffeln in Brandenburg hatte anpflanzen 
lassen. Bis dahin kamen sie als seltenes und feines Gemüse mit der 
Post aus Holland und wurden nur von reichen und vornehmen Leuten 
gegessen. Sie hatte aber erkannt, daß auf dem sandigen und unfrucht¬ 
baren Boden der Mark gerade dieses Gewächs guten Ertrag liefern 
werde und einen Ersatz bieten könne fiir das Brotkorn, das namentlich 
in trockenen Jahren so oft mißriet. Die Brandenburger betrachteten 
die neue Speise mit höchstem Mißtrauen. Einige hatten versuchs¬ 
weise in die rohen Kartoffeln gebissen, natürlich den Geschmack ab¬ 
scheulich gefunden und das ungenießbare Zeug beiseite geworfen. Andere 
hatten sie den Hunden vorgesetzt, und auch diese mochten sie nicht. 
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