Full text: (Viertes und fünftes Schuljahr) (Teil 2 für Kl. 6 u. 5)

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122. Hildebrand und Alebrand (Hadubrand). 
Karl Heinrich Keck. 
König Dietrich von Bern hatte in blutigem Kampfe sein Reich 
an seinen Oheim, den König Ermanrich, verloren. Lange Jahre 
verbrachte er dann an dem Hofe Etzels, des mächtigen Königs der 
Hunnen, bei dem er in hohen Ehren stand. Aber auch mit dessen 
Hilfe vermochte er nicht, sein Reich wieder zu erobern. Endlich 
erwachte die Sehnsucht in ihm, die Heimat, die er so lange hatte 
entbehren müssen, wiederzusehen, und er trat die Reise nach Italien 
an. Nur wenige Begleiter nahm er auf der Fahrt mit sich; aber es 
waren erprobte Helden, und unter ihnen ragte besonders der greise 
Hildebrand, der Waffenmeister des Königs, hervor. Als sie an die 
Grenzen von Dietrichs Reich kamen, ward ihnen gute Botschaft; 
der König Ermanrich war gestorben, und Dietrich durfte nun hoffen, 
wieder in den Besitz seines Königreiches zu gelangen. Hildebrand 
aber beschloß, allein vorauszugehen nach Bern, um weitere Kunde 
einzuziehen. In Bern, hatte man ihm berichtet, hause als Vogt des 
Landes sein Sohn Alebrand, den er einst als Kind mit seiner treuen 
Gemahlin Ute zurückgelassen hatte, als er mit Dietrich geflohen war. 
Wohlgemut ritt Hildebrand dahin. Das Herz war ihm freudig 
bewegt von der Hoffnung auf Wiedersehen mit seinem Sohn und 
auf Einführung seines Herrn in seinen rechtmäßigen Besitz. Er 
pfiff ein fröhliches Lied, und wenn er im Sattel sich erhob, lachte 
er im Gefühl seiner Kraft. „Wenn mein Sohn," sagte er halblaut, 
„nur recht in die Art der Wölfinge eingeschlagen ist, daß auch er 
einst als greiser Mann sich so jugendlich fühlt! Aber er ist unter 
der Obhut seiner einsamen Mutter aufgewachsen, sie hat ihn viel¬ 
leicht verzärtelt, daß er im Waffenwerk ein Stümper ist." 
Die Wege waren ihm noch alle kund aus früheren Zeiten, und 
so gelangte er noch vor Abend in die Nähe von Bern. Schon sah 
er die Türme der Burg, und er spornte sein Roß zu schnellerem Trab. 
Da begegnete ihm ein junger, stattlicher Reiter auf weißem Rosse; 
der Mann hatte lockiges, hellblondes Haar und saß vornehm und 
mit untadeligem Anstand im Sattel; auf seinem Schilde war Bern 
mit seinen Türmen abgebildet. Sollte das nicht Alebrand sein? Dem 
Alten trieb die Freude das Blut in die Wangen, und rasch sprengte 
er auf den ihm entgegenkommenden Reiter zu. Aber dieser, der
	        
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