Full text: [Teil 2 = 3. Schulj] (Teil 2 = 3. Schulj)

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Da sieht sie denn, was vorgegangen 
und wie das Mäuslein ist gefangen. 
Ganz leis und sacht 
schleicht sie hin und sagt: 
„Haben wir endlich doch erhascht 
das Mäuslein, das immer von allem 
genascht? 
Siehst du: Einmal ist nicht keinmal. 
Wärst du geblieben in deinem Loch, 
gefangen hätte dich nicht der Koch." 
^Friedrich Güll. 
33. Der Fuchs und die Trauben. 
Ein Fuchs kam auf einem Gange nach Beute an einen Weinstock, der 
voll süßer Trauben hing. Lange schlich er vor demselben auf und ab, 
überlegend und versuchend, wie er zu den Trauben gelangen könne. Aber 
umsonst, sie hingen zu hoch. Um sich nun von den Vögeln, welche ihm 
zugesehen hatten, nicht verspotten zu lassen, wendete er sich mit verächt¬ 
licher Miene weg und sprach: „Die Trauben sind mir zu sauer, ich mag 
sie nicht." Nach Äsop. 
uno oas sit ottter. 
Überall ist ein Draht, 
und das ist schad'. 
Leider,leider kann's Mäuslein nimmer 
weiter. 
Wär's nur gewesen gescheiter! 
Unterdessen wird es Morgen. 
Da kommtdie Köchin und will besorgen 
den Kaffee und den Tee. 
34. Vom Wolf und Lämmlein. 
Ein Wolf und Lämmlein kamen von ungefähr beide an einen Bach, zu 
trinken. Der Wolf trank oben am Bach, das Lämmlein aber fern unten. Da 
der Wolf des Lämmleins gewahr ward, lief er zu ihm und sprach: „Warum 
trübest du mir das Wasser, daß ich nicht trinken kann?" Das Lämmlein 
antwortete: „Wie kann ich dir's Wasser trüben, trinkest du doch über mir 
und möchtest es mir wohl trüben?" Der Wolf sprach: „Wie, fluchest du 
mir noch dazu?" Das Lämmlein antwortete: „Ich fluche dir nicht." Der 
Wolf sprach: „Ja, dein Vater tat mir vor sechs Monden auch ein 
solches." Das Lämmlein antwortete: „Bin ich doch dazumal nicht ge¬ 
boren gewesen, wie soll ich meines Vaters entgelten?" Der Wolf sprach: 
„So hast du mir aber meine Wiesen und Äcker abgenagt und verderbt." 
Das Lämmlein antwortete: „Wie ist das möglich, hab' ich doch noch keine 
Zähne." „Ei," sprach der Wolf, „und wenn du gleich viel ausreden und 
schwatzen kannst, so will ich dennoch heut' nicht ungesättigt bleiben," und 
würgte also das unschuldige Lämmlein und fraß es. 
Martin Luther. 
Es kann der Frömmste nicht im Frieden bleiben, 
wenn es dem bösen Machbar nicht gefällt. 
Friedrich v. Schiller.
	        
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