einer hinter dem andern wie die Kraniche. Auf einmal gab's halt. Was
war los? Nach näherer Untersuchung fand es sich, daß einer vorne stand
und schlief, und er, wie wir, bis über die Knie im Wasser war. Die vor
ihm waren fort, Wir waren die hinterste Kompagnie, Was war nun
zu tun? Zum Glück waren wir noch nahe an einem Dorfe, wohin etliche
Mann abgeschickt wurden, um einige Führer zu holen, weil man sonst gar
leicht in den Strom hätte stürzen können. ITTit Hilfe dieser Führer er¬
reichten wir des Morgens Bunzlau. Nur noch eine halbe Stunde später,
und wir waren abgeschnitten oder gefchneppt wie der Vogel im HTeisentasten.
Wir passierten nun die Brücke, die sogleich zerstört wurde, und lagerten
uns diesseits des Flusses an einem Abhänge. (Es war, wie ich glaube,
am 29. August. Und da der liebe Gott an diesem Tage, wie auch nach der
Sintflut, die Sonne mit ihren erwärmenden Strahlen wieder sehen ließ
und eben gerade der Widerschein in unser Lager fiel, so entkleideten wir
uns bis auf die haut und trockneten unsere Kleidungsstücke, sowie auch den
Inhalt unserer Tornister. Das war nun freilich nicht so schön anzusehen,
als es wohltuend für unseren Körper war. Wir trockneten auch die Ge¬
wehre aus. Am ganzen Körper, soweit das Wasser gereicht hatte, bekam
ich einen Ausschlag. Des Nachmittags brachen wir auf und marschierten
über Görlitz nach Bautzen hin.
^2. Erstürmung des Grimmaischen Tores in Leipzig.
Friccius, Geschichte des Krieges in den Iahren 1813/14.
(Es war ungefähr 11 Uhr, das Tor war stark verrammelt, von neuen
starken Planken gezimmert, oben auf der Spitze, um öas übersteigen zu
verhindern, mit starken eisernen Widerhaken und unten mit vielen Schieß-
löchern versehen. Das Wacht- und Zollhaus, nahe am (Eingang des Tores
rechts, war verlassen, aber die Häuser, welche zum Teil die Vorstadtmauer
nach dem Hintertore zu bilden, besonders aber das Gebäude, welches auf
dem Kirchhofe steht, eine Fortsetzung der Kirchhofsmauer ist und einen
spitzen Winkel mit dem Tore bildet, war stark vom Feinde besetzt. Die
Truppen, welche gegen das Tor anrückten, erhielten von vorn und von
beiden Seiten ein nahes starkes Feuer, ohne dem Feinde hinter seinen
Bollwerken viel schaden zu können. Zum Sturm war nichts vorbereitet.
Wir hatten keine Leiter, keine Axt, keine Brechstange, noch andere ähnliche
Instrumente zur Hand- kein Zimmermann, kein Pionier war uns zur
Seite, kein Geschütz in der Nähe, um das Tor einzuschießen. Immer
stärker wurde aus der Stadt, aus allen Fenstern, von allen Dächern, selbst
vom 3ohannistirchturme herab, welcher zur Warte zu dienen schien, auf
uns geschossen. In jeder Minute traf ein Schuß. Mein Pferd erhielt
eine Kugel in die Kinnlade und war nicht mehr zu bändigen; ich mußte
es verlassen. In seinem tiefen Schmerz bäumte sich das mächtige Tier
unaufhörlich und wurde noch eine Zeitlang von einem Landwehrmanne fest¬
gehalten, riß diesen aber bald mit sich fort, sprengte die Zügel und stürzte