108 ^ ^ 'L
§anze Schar schöner, junger, glitzernder, prächtig behender Fliegen
tummelte sich und tanzte und spielte im Sonnenschein, und Summ-
Summ stürzte sich freudetrunken taumelnd mitten in ihren Schwarm
und eilte mit weit ausgebreiteten Flügeln auf die eine und die andre
zu, die ihr am nächsten waren, und suchte sie zu erfassen und an
ihre Brust zu ziehen und zu küssen, und sie rief mit halberstickter
Stimme: „Schwestern, teure Schwestern, ach, daß ich es erlebt habe,
euch wiederzusehn!“
Die Fliegen stoben aber auseinander und kreisten in scheuer
Entfernung um sie und starrten sie an. Dann rief die eine: „Wer
ist denn diese Vogelscheuche?“ Und die andre gickste: „Seht mal
die dicke Trude!“ Und die dritte kicherte: „Madam, Ihre Flügel
sind heut’ nicht gebürstet!“ Und alle lachten.
Summ-Summ war betroffen und gekränkt. Es wurde ihr schwer,
so lange in der Luft zu schweben, und sie ließ sich auf die Fenster¬
bank nieder. Traurig sagte sie: „Kennt mich denn keine von euch?
Ich bin ja Summ-Summ!“ Und sie nannte ihnen die Namen von
vielen Schwestern und Basen und Freundinnen, die im Jahre vorher
mit ihr jung gewesen waren und sich des Lebens gefreut hatten.
Aber das neue Fliegengeschlecht kannte keinen dieser Namen,
und je mehr unbekannte Namen die arme Summ-Summ aufzählte,
um so mißtrauischer und feindlicher wurden die jungen Fliegen,
und sie summten einander zu: „Nehmen wir uns in acht, sie ist
eine Schwindlerin!“
„So kommt doch! So glaubt mir doch!“ bat Summ-Summ angst¬
voll. „Seht, im vergangnen Jahre hatte ich so viele Geschwister und
Freundinnen! Da waren wir auch ein großer Schwarm wie ihr
jetzt! Und ich war die tollste von allen. Aber dann kam der Herbst,
und alle starben, und dann kam der Winter, und ich blieb ganz allein,
und ich glaubte, die Welt sei untergegangen. Nun ist es aber doch
wieder Frühling geworden, und ich sehe die Meinigen wieder, und
sie sind so übermütig wie je, und ich bin so glücklich, euch zu sehn,
weshalb seid ihr denn so unfreundlich und haltet euch ferne und
wollt mich nicht als eure Schwester erkennen?“
Die jungen Fliegen waren näher gekommen und hatten ihr mit
wachsendem Staunen zugehört und sie sprechen lassen, bis ihr der
Atem ausging und sie zu husten anfing. Dann antwortete ihr eine
Fliege mit Gold- und Rubinaugen, die die schnippischste von allen