im Strudel zugrunde, weil sie nicht mehr auf den Lauf des Fahrzeuges
achteten, sondern durch die himmlischen Töne der wunderbaren Jung¬
frau gleichsam aus dem irdischen Leben hinweggelockt wurden. Niemand
hatte noch die Jungfrau in der Nähe geschaut als einige junge Fischer;
zu diesen gesellte sie sich bisweilen im letzten Abendrot und zeigte ihnen
die Stellen, wo sie ihr Netz auswerfen sollten, und jedesmal, wenn sie
den Rat der Jungfrau befolgten, taten sie einen reichlichen Fang. Die
Jünglinge erzählten nun, wohin sie kamen, von der Huld und Schönheit
der Unbekannten, und die Geschichte verbreitete sich im ganzen Lande
umher.
Ein Sohn des Pfalzgrafen, der damals in der Gegend sein Hof¬
lager hatte, hörte die wundervolle Mär und fatzte eine innige Zu¬
neigung zu der Jungfrau. Unter dem Vorwand, auf die Jagd zu
gehen, nahm er den Weg nach Wesel, setzte sich dort auf einen Nachen
und liefe sich stromaufwärts fahren. Die Sonne war eben untergegangen,
und die ersten Sterne traten am Himmel hervor, als sich das Fahrzeug
dem Lorelei näherte. „Seht ihr sie dort, die verwünschte Zauberin?
Das ist sie gewiß!" riefen die Schiffer. Der Jüngling hatte sie aber
bereits erblickt, wie sie am Abhange des Felsenberges, nicht weit vom
Strome, saß und einen Kranz für ihre goldnen Locken band. Jetzt
vernahm er auch den Klang ihrer Stimme und war bald seiner Sinne
nicht mehr mächtig. Er nötigte die Schiffer, am Felsen anzufahren,
und noch einige Schritte davon, wollte er ans Land springen und die
Jungfrau festhalten; aber er nahm den Sprung zu kurz und versank in den
Strom, dessen schäumende Wogen schauerlich über ihm zusammen¬
schlugen.
Die Nachricht von dieser traurigen Begebenheit kam schnell zu den
Ohren des Pfalzgrafen. Schmerz und Wut zerrissen die Seele des
armen Vaters. Er erteilte auf der Stelle den strengsten Befehl, ihm
die Unholdin tot oder lebendig zu liefern. Einer seiner Hauptleute
übernahm es, den Willen des Pfalzgrafen zu vollziehen; doch bat er
sich aus, die Here ohne weiteres in den Rhein stürzen zu dürfen, damit
sie sich nicht vielleicht durch lose Künste aus Kerker und Banden befreie.
Der Pfalzgraf war dies zufrieden. Der Hauptmann zog gegen Abend
aus und umstellte mit seinen Reisigen den Berg. Er selbst nahm drei
der Beherztesten aus seiner Schar und stieg den Lorelei hinan. Die
Jungfrau saß oben auf der Spitze und hielt eine Schnur von Bern¬
stein in der Hand. Sie sah die Männer herankommen und rief ihnen