Full text: (Viertes und fünftes Schuljahr) (Teil 2 für Kl. 6 u. 5)

154 
hielt sich still bei ihrer Mutter und den andern Frauen auf. Als nun 
aber der 51öntg ein großes Hoffest veranstaltete, gebot er seiner Mutter 
und seinen Schwestern, an demselben teilzunehmen. Da erschienen diese 
reich geschmückt, von mehr als hundert edlen Frauen begleitet. Kriem- 
hild aber war so schön wie die Sonne, wenn sie aus trüben Wolken 
hervortritt. Der König befahl ihr, den Helden aus Niederland zum 
Danke für das, was er getan, zu grüßen. Da freute sich Sieg¬ 
fried im Herzen und blieb noch gern in Worms, denn er gedachte, die 
schöne Kriemhild sich zur Gemahlin zu gewinnen. Das sollte ihm bald 
durch einen neuen und wichtigen Dienst, den er dem Könige erwies, 
gelingen. 
Brunhild. Auch der König Günther hatte noch keine Gemahlin. 
Da erhielt er Kunde, daß auf einer Insel im Meere eine Königs¬ 
tochter lebe, schön von Gestalt und von solcher Kraft, daß sie mit den 
stärksten Rittern den Wettkampf einginge. Wer sie zum Weibe begehrte, 
der mußte drei Kampfspiele mit ihr bestehen, und wenn er nur in 
einem von ihr besiegt wurde, so verlor er sein Haupt. König Günther 
beschloß, hinzuziehen und um ihre Hand zu werben. Vergeblich wider¬ 
riet ihm Siegfried die Reise; die Königin sei so stark, sagte er, daß 
wohl vier Ritter sie nicht besiegten; allein Günther bestand auf seinem 
Sinne. ,,Sie mag," antwortete er, ,,so stark sein, wie sie will, die 
Reise muß geschehen." Da sagte Hagen: „So hört meinen Rat, bittet 
Siegfried, daß er mit Euch ziehe, da er von der Brunhild so gute 
Kunde hat." Der König tat, wie ihm geraten, und Siegfried ant¬ 
wortete: „Ich begleite dich gern, wenn du mir deine Schwester, die 
edle Kriemhild, zum Weibe gibst; weiter begehr' ich keinen Lohn." 
„Das will ich dir geloben," sprach Günther, „kommt die schöne Brun¬ 
hild her in dieses Land, so will ich dir meine Schwester zum Weibe 
geben." 
Da machten sie sich aus den Weg, Günther, Siegfried, Hagen 
und Dankwart, der Bruder des letzteren. Auf einem Schiffe fuhren sie 
den Rhein abwärts und gelangten nach zwölf Tagen nach dem Isen- 
stein, einer Feste im Lande Brunhildens. 
Als sie gelandet waren, bestiegen sie ihre Rosse und ritten hinauf 
zu der Burg. Brunhilden war angesagt, daß fremde Ritter in das 
Land gekommen seien; sie legte daher ein schönes Gewand an und ging, 
begleitet von ihren Rittern, zu den Gästen hinunter. Als sie Siegfried
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.