117. Ein Gewitter auf dem Lande.
Gustav Freytag.
Schnell rollten die Wagen auf das Erntefeld; die Pferde waren
unruhig, schüttelten die Köpfe und schlugen mit dem Schweife die
Flanken, und die Knechte klatschten ohne Aufhören mit der Peitsche.
„Heus stechen die Fliegen," sagte im Vorbeifahren grüßend der
Großknecht, „es kommt ein Wetter."
Rot hob sich die Sonne aus trocknem Qualm; die Arbeiter im
Felde fühlten die Mattigkeit in den Gliedern und hielten immer
wieder bei der Arbeit an, das Antlitz zu trocknen. Der Schäfer
war heute mit der Herde unzufrieden, seine Hammel waren auf
Kraftübungen versessen: statt zu fressen, stießen sie mit den Köpfen
zusammen. Unordnung und Widersetzlichkeit waren nicht zu
bändigen, der Hund umkreiste die Aufgeregten unaufhörlich mit
hängendem Schwänze, und wenn er heute ein Schaf in das Bein
zwickte, so merkte es lange den Schaden.
Höher stieg der Sonnenball am wolkenlosen Himmel, heißer
wurde der Tag, ein leichter Dunst hob sich vom Boden und machte
die Ferne undeutlich, die Sperlinge flogen unruhig um die Baum¬
gipfel, die Schwalben fuhren längs dem Boden und zogen ihre
Kreise um die Menschen. Das Mittagsmahl war stiller als sonst;
der Landwirt sah ernst drein; seine Verwalter nahmen sich kaum
Zeit, ihre Teller zu leeren. Beim Aufstehen sagte der Hausherr
zu seiner Tochter: „Ich reite an die Grenze; bin ich nicht vor dem
Wetter zurück, so sieh nach Haus und Hof." Und wieder zogen
Menschen und Rosse auf das Feld; aber heute war ihnen der Weg
zur Arbeit zu sauer. Die Hitze wurde unerträglich; die Nachmittags¬
sonne brannte auf die Haut; Fels und Mauer fühlten sich heiß
an; den Himmel überzog ein weißes Gewölk, das sich zusehends
verdichtete und zusammenfuhr. Eifrig trieb der Knecht die Pferde
zur Scheuer; die Arbeiter hasteten, die Garben abzuladen; im
schnellen Trabe fuhren die Wagen, noch eine Ladung unter das
schützende Dach zu retten.
Die Freunde standen vor der Hoftür und blickten auf die
schweren Wolken, die vom Himmelsrand heraufzogen. Das gelbe