Full text: (Sechstes und siebentes Schuljahr) (Teil 3 für Kl. 4 u. 3)

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Äußerungen gesund. Wenn wir den Hang zum Glücksspiel und die 
Neigung zur Trunksucht, wie sie übrigens allen nordischen Völkern 
gemeinsam ist, ausnehmen, sind Laster, welche das Mark der Nation 
bedrohen, nicht erkennbar. 
226. Auf den Boulevards in Paris. 
Hermann Daniel. 
Paris ist in ganz anderem Sinne Hauptstadt von Frankreich als 
andere Städte die Hauptstädte ihrer Länder sind: Paris ist Frank¬ 
reich. Es ist der Mittelpunkt der französischen Kunst und Wissenschaft, 
des Handels und der Gewerbe, der Wohnort reicher und berühmter 
Leute aller Länder, die Stätte des größten Lurus, der höchsten Eleganz 
und der feinsten Lebensweise, nach der Meinung der Franzosen die 
Spitze der Kultur und Zivilisation, das Herz der Welt, das Gehirn 
der Menschheit. Von Paris aus ward Frankreich erobert und beherrscht. 
Seit der Revolution entscheidet Paris alle politischen Fragen im Lande; 
kein Mensch kann an eine Umänderung der Staatsverfassung denken, 
die nicht in Paris gemacht würde; wenn aber Paris will, so hat Frankreich 
den nächsten Tag eine neue Regierungsform. Kein Talent kann sich 
entwickeln oder gar Geltung erringen, außer in Paris; Paris allein 
kann einen Künstler erziehen, nur in Paris kann der Handwerker aus¬ 
lernen; Paris ist der Zielpunkt jedes Strebens nach Ehre oder Reichtum, 
dahin wird der junge Savoyarde unwiderstehlich gezogen, und der 
entlassene oder entwichene Galeerensträfling kennt kein anderes Ziel als 
Paris. Wie sich alles Leben und Streben der Franzosen in Paris 
vereinigt, so vereinigt sich wiederum das Leben und Treiben der Pariser 
aus den Boulevards, diesen breiten, mit doppelten und dreifachen 
Alleen besetzten Straßen, welche an Stelle der Mauern und Wälle des 
alten Paris getreten sind und einen wahrhaft großartigen Anblick dar¬ 
bieten. Die unaufhörlich wogende Menge, die Pracht der schimmernden 
Läden, das fortwährende Kreuzen der Wagen, die vielen palastähnlichen 
Gebäude, die reichen Basars, die Theater, die Kaffeehäuser, die Gärten, 
die mit Bäumen gezierten Trottoirs: alles vereinigt sich, um diesen 
Straßen einen ganz eigentümlichen Anstrich zu geben, der sich mit keinem 
andern in der Welt vergleichen läßt. Besonders am Abend, wo alles 
in dem blendenden Lichtmeere von vielen Tausenden von Gasflammen 
strahlt und eine bunte und lebhafte Menge dort spazieren geht, ist 
Breidenstein, Mittclschullesebuch III. 26
	        
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