er auf diesen ober jenen Posten, ans einen fetten oder mageren Platz
gestellt werden sollte. — An Ostern, an Martini und am heiligen Abend
kam die Bäckerin, die keine Kinder hatte, immer, einen großen Korb
unter dem Arme, zu den Nachbarsleuten hinüber und teilte unter die
Paten aus, was ihr der Hase oder der gute Märtel oder gar das Christ¬
kindlein selbst unter die schneeweiße Serviette gelegt hatte. — Je mehr
sich die Kindlein über die reichen Spenden freuten, desto näher rückten
sich die Herzen der beiden Weiber, und man brauchte keine Zigeunerin
zu sein, um aus dem Satz in ihren Kasfeeschalen zu prophezeien, daß sie
einander immer gut bleiben würden.
Aber ihre Männer hatten ein jeglicher einen Hund, der Gerber als
Jagdliebhaber einen großen braunen Feldmann und der Bäcker einen
kleinen schneeweißen Mordax. Beide meinten die besten und schönsten
Tiere in ihrem Geschlecht zu haben. Und da geschah es denn eines Tages,
daß Mordax ein Kalbsknöchlein gegen den Feldmann behauptete. Denn
er hatte wahrscheinlich vergessen, daß es nicht gut sei, einem großen Herrn
etwas abzuschlagen. Vom Knurren kam es zum Beißen, und ehe sich der
Bäcker von seiner grünen Bank vor dem Hanse erheben konnte, lag sein
Hündlein mit zermalmten Genick vor ihm, und der Feldmann lies mit
dem eroberten Knochen und mit eingezogenem Schweife davon. Sehr er¬
grimmt und entrüstet warf der Herr des Ermordeten dem Raubmörder
einen gewaltigen Stein nach. Aber was hals's? Die Handgranate flog
nicht dem Hunde an den Kops, sondern dessen Besitzer durch das Fenster
mitten aus den Tisch, an dem er gerade die Zeitung las, und machte in
den schönsten Artikel ein Loch. Ohne zu fragen, woher der Schuß ge¬
kommen sei, riß der Gerber den zertrümmerten Fensterflügel aus nnb sing
au zu schimpfen. Der Nachbar in der weißen Schürze und mit den aus¬
gestülpten Hemdärmeln blieb nichts schuldig, Kinder und Leute liefen zu¬
sammen und — hätte ich ihn nur sehen können! — Satan stand gewiß
in einer Ecke der Gasse und blies mit vollen Backen in das Feuer. Der
Bäcker verließ den Kampfplatz zuerst, aber nur um seinen Nachbar bei
Gericht zu belangen. Die Sonne ging über dem Zorne der beiden Männer
unter, und den Tag daraus wurden sie vor Gericht geladen. Der Gerber-
würde verurteilt, den totgebissenen Mordax mit einem Reichstaler zu
büßen, da doch, wie er sich als Jagdliebhaber ausdrückte, der kleine
Schäker nicht einen Groschen wert gewesen sei. Der Bäcker mußte für
den zertrümmerten Fensterflügel und das Loch in der Zeitung nicht viel
weniger bezahlen und sich mit seinem Widerpart in die angelaufenen
Gerichtskosten teilen.
Von nun an war zwischen den beiden - Familien eine große Kluft
befestigt. Hinüber und herüber über die Gasse flog kein freundliches
Wort mehr. Ging die Gerberin links zur Kirche, so nahm die Nach¬
barin ihren Weg rechts; saß der Bäcker im Posthaus außen in der Stube
5
10
15
20
25
30
35
10