20
folgte sie ihr Kind durch die Gassen, über den Markt, über den alten
Kirchhof zu der niedern Tür der Sakristei. Sie vernahm die Orgel und
schloß die Augen. Nur noch einmal öffnete sie sie verwundert und sah
nach der Glaskugel über dem Tische; es war ihr, als habe diese plötz¬
lich einen Hellen Klang gegeben, und als sei sie durch den Klang erweckt
worden. Sie lächelte und schloß die Augen wieder, und dann-
Und dann! Es kann niemand sagen, was darauf folgte; aber als
Hans Unwirsch heimkehrte aus der Kirche, war seine Mutter gestorben,
und alle, die sie sahen, sagten, daß sie einen glückseligen Tod gehabt
haben müsse. Wilhelm Raabe.
13. Die feinen Ohren.
(Meiner Mutter.)
Du warst allein,
ich sah durchs Schlüsselloch
den matten Schein
der späten tampe noch.
U)as stand ich nur und trat nicht
ein?
Und brannte doch,
und war mir doch, es müßte sein,
daß ich noch einmal deine Stirne strich
und zärtlich flüsterte: Wie lieb' ich dich!
Die alte böse Scheu,
dir ganz mein bferz zu zeigen,
sie quält mich immer neu.
Null lieg' ich durch die lange Nacht
und horche in das Schweigen —
ob wohl ein weißes Haupt noch wacht?
Und einmal hab' ich leis gelacht:
Was sorgst du noch,
sie weiß es doch,
sie hat gar feine Ghren,
ihr geht von deines Herzens Schlag,
obwohl die tippe schweigen mag,
auch nicht ein leiser Ton verloren.
Gustav Falke.
14. Meiner Mutter.
wie oft sah ich die blassen Hände nähen
ein Stück für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Ich sah zum Himmel deine Augen flehen,
ein Wunsch für mich — wie liebevoll du sorgtest!
Und an mein Bett kamst du init leisen Zehen,
ein Schutz für mich — wie sorgenvoll du horchtest!
tängst schon dein Grab die winde überwehen,
ein Gruß für mich — wie liebevoll du sorgtest.
Detlev v. Lilienrron.