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ich mit ihm darüber eine lange Unterredung, und er sagte in sich gekehrt 
wiederholentlich: ,,Das mutz auch bei uns anders werden!" 
Gewiß wird es besser werden: das verbürgt der Glaube an das 
vollkommenste Wesen. Aber es kann nur gut werden in der Welt durch 
die Eilten. Deshalb glaube ich auch nicht, datz der Kaiser Napoleon 
Bonaparte fest und sicher auf seinem jetzt freilich glänzenden Thron ist. 
Er ist von seinem Glück geblendet, und er meint alles zu vermögen. Da¬ 
bei ist er ohne alle Mätzigung, und wer nicht Matz halten kann, verliert 
das Gleichgewicht und fällt. Ich glaube fest an Gott, also auch an eine 
sittliche Weltordnung. Diese sehe ich in der Herrschaft der Gewalt nicht; 
deshalb bin ich der Hoffnung, datz auf die jetzige böse Zeit eine bessere 
folgen wird. Diese hoffen, wünschen und erwarten alle bessern Menschen, 
und durch die Lobredner der jetzigen und ihres grotzen Helden darf man 
sich nicht irre machen lassen. Ganz unverkennbar ist alles, was geschehen 
ist und geschieht, nicht das Letzte und Gute, wie es werden und bleiben soll, 
sondern nur die Bahnung des Weges zu einem bessern Ziele hin. Dieses 
Ziel scheint aber in weiter Entfernung zu liegen, wir werden es wahr¬ 
scheinlich nicht erreicht sehen und darüber hinsterben. Wie Gott will! 
Alles, wie er will. Aber ich finde Trost, Kraft und Mut und Heiterkeit 
in dieser Hoffnung, die tief in meiner Seele liegt. Ist doch alles in der 
Welt nur Übergang! Wir müssen durch. Sorgen wir nur dafür, datz 
wir mit jedem Tage reifer und besser werden. 
Hier, lieber Vater, haben Sie mein politisches Glaubensbekenntnis, 
so gut ich als eine Frau es formen und zusammensetzen kann. Sie sehen 
wenigstens daraus, datz Sie auch im Unglück eine fromme, ergebene Tochter 
haben, und datz die Grundsätze christlicher Gottesfurcht, die ich Ihren 
Belehrungen und Ihrem frommen Beispiele verdanke, ihre Früchte ge¬ 
tragen haben und tragen werden, solange Odem in mir ist. 
Gern werden Sie, lieber Vater, hören, datz das Unglück, welches uns 
getroffen, in unser eheliches und häusliches Leben nicht eingedrungen ist, 
vielmehr dasselbe befestigt und uns noch werter gemacht hat. Der König, 
der beste Mensch, ist gütiger und liebevoller als je. Oft glaube ich in 
ihm den Liebhaber, den Bräutigam zu sehen. Mehr in Handlungen, wie 
er ist, als in Worten ersehe ich die Aufmerksamkeit, die er in allen Stücken 
für mich hat, und noch gestern sagte er schlicht und einfach, mit seinen 
treuen Augen mich ansehend, zu mir: „Du, liebe Luise, bist mir im 
Unglück noch werter und lieber geworden. Nun weitz ich aus Erfahrung, 
was ich an dir habe. Mag es draußen stürmen — wenn es in unsrer 
Ehe nur gut Wetter ist und bleibt. Weil ich dich so lieb habe, habe 
ich unser jüngst geborenes Töchterchen Luise genannt. Möge es eine Luise 
werden!" - Bis zu Tränen rührte mich diese Güte. Es ist mein Stolz, 
meine Freude und mein Glück, die Liebe und Zufriedenheit des besten 
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