Full text: Viertes, fünftes und sechstes Schuljahr (Teil 2)

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grünen Bäumen! Wann der Wind geht, fallen sie wie ein Regen von 
Gold herunter. Morgen bin ich auf der schönen, schönen, großen, großen 
Wiese. — Gute Rächt, Hans, lieber Hans!" 
Sie schloß die Augen und schlief ein, und im Schlaf ging sie hinüber 
in die Ewigkeit. 
Die Katze war auf die Bettdecke der Kranken gesprungen, hatte sich 
ihr zu Füßen in einen Knäuel gerollt und schnurrte behaglich. Man 
ließ das arme Tier, wo es war; aber den weinenden Hans führte die Base 
Schlotterbeck fort; er sah seine Spielgefährtin nicht eher wieder, als bis 
sie im Sarge lag. 
4. Als das Kind gestorben war, wollte man die Katze wegnehmen 
von der Decke; sie gebärdete sich jedoch wie toll, biß und kratzte und sprang 
erst dann freiwillig herab, als die winzige Leiche aus der Bettstelle ge¬ 
hoben wurde. Als der Sarg geschlossen war und auf zwei Stühlen in der 
Mitte der Stube stand, legte sich das Tier unter den Sarg und wollte 
auch von dieser Stelle nicht weichen. Als der Sarg aus dem Hause getragen 
wurde, folgte ihm die Katze bis zur Haustür und sah ihm nach. Dann 
schoß sie wieder die Treppe hinauf und fing an zu suchen in allen Winkeln 
und Ecken und wollte dieses Suchen nicht aufgeben, trotz allem, was man 
tat, um sie davon abzubringen. Tagelang, nächtelang wimmerte sie umher, 
daß das rohste Gemüt im Haus und in der Nachbarschaft ein Grauen 
und eine Wehmut darüber ankam. Vergeblich bot man dem armen Ge¬ 
schöpf die besten Bissen, es nahm sie nicht an. Niemand hatte das Herz, 
es roh und rauh anzufassen; aber man fürchtete sich vor ihm, und jeder 
atmete auf, als es nach acht Tagen still wurde. Es hatte ein altes Kleidchen 
der Toten gefunden, darauf wickelte es sich in einem Winkel zusammen 
und starb vor Gram und vor Hunger. Hans Unwirsch und Moses Freuden¬ 
stein begruben es, und des Moses Vater gab aus seinem Trödelvorrat eine 
bunte Schachtel zum Sarge her. Wilhelm Raabe. 
235. von den Zwergen. 
(Aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges.) 
1. Frau Katharina Partner von Theuern kehrte mit ihrem kleinen 
Knaben Hansjörg von ihrem abendlichen Gange durch die Burgräume 
zurück. „Mutter," begann der Knabe, legte die Hand in ihren Arm und 
schmiegte sich an ihre Seite, „Mutter, ich habe doch vorgestern abend dem 
Hüttenkapfer (Aufseher) geschwinde Botschaft bringen müssen vom Vater. 
Und der Vater hat gesagt, ich solle gleich wiederkommen, hat er gesagt. 
Und wie ich in die Werkstätte getreten bin, da sind die Knechte am Feuer 
gestanden und haben miteinander geredet. Und ich hab' mich hingestellt 
und hab' zugehört. Da hat der alte Loißl gerade von den Zwergen erzählt. 
„Hinten und vorn merkt man's, daß der Herr krank ist," hat er gesagt.
	        
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