Full text: Viertes, fünftes und sechstes Schuljahr (Teil 2)

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„Für euch wär's auch gut, wenn des Nachts die Zwargel kämen und 
wollten euch die Arbeit machen." Zwargel nennt er die Zwerge, wißt 
Ihr, Mutter. Da haben die Knechte gelacht, und einer hat gefragt, was 
denn solche Knirpse schaffen könnten in einem Hammerwerk, und hat seine 
rußigen Arme gereckt. Da hat der alte Loißl ein finstres Gesicht gemacht. 
„Schweig!" hat er gesagt. „Was weißt denn du, junger Fant, von den 
kunstvollen Zwargeln?" Und dann haben sie wieder die Hämmer ge¬ 
schwungen. Ich aber hab' die Botschaft ausgerichtet und bin eilig zum 
Vater gelaufen. Und um die Feierabendzeit bin ich wieder zum Hammer 
gegangen und hab' dem alten Loißl aufgepaßt, hab' ihn gebeten, er solle 
mir von den Zwergen erzählen, Zwargeln hab' ich sie genannt, wie er. 
Da hat er mich an die Hand genommen und hat mich lange angeschaut. 
„Iunkerlein," hat er gesagt, „wenn ich da wollt' alles erzählen, so könnt' 
ich erzählen diese Nacht und den andern-Tag und die zweite Nacht, und 
das meiste könntest du gar nicht verstehen." Da hab' ich ihn gebeten, 
daß er mir doch erzähle. Und er hat mir's versprochen. Deshalb bin ich 
dann gestern nach Feierabend zu ihm gegangen, wißt Ihr, Mutter." 
2. „Und der alte Loißl hat dich furchtsam gemacht, dummes Buberl!" 
sagte die Mutter. 
„O nein, Mutter," beteuerte der Knabe und atmete tief auf. „Vor 
den Zwergen braucht sich keiner zu fürchten, hat der Loißl gesagt, viel 
eher vor den Menschen als vor den Zwergen. — Wißt Ihr," fuhr er 
eifrig fort, „die Zwerge sind ehedem gar mächtig gewesen im Lande, haben 
feste Häuser und Städte gehabt, bis sie von den Menschen vertrieben 
wurden. Denkt nur, vertrieben aus ihren Häusern und Städten, die armen 
Zwerge! Seitdem wohnen sie nun in den Wäldern und Höhlen — Mutter, 
der Loißl glaubt, in unsern Wäldern wohnen auch Zwerge. Aber er 
glaubt, die alten Partner können nichts dafür; denn die waren immer 
barmherzig mit den kleinen Leuten, sagt der Loißl. Und, Mutier, die 
Zwerge schmieden goldne und silberne Kelche und Kettlein und Spangen 
und sind Vater und Mutter und Kinder wie wir. Und wenn ein Zwerg 
stirbt, Mutter, dann wird er mit seinen Sonntagskleidern angetan und in 
einen gläsernen Sarg gelegt und bekommt sein Hämmerlein in die Hand. 
Die andern Zwerglein tragen den Sarg an den Fluß, lassen ihn auf dem 
Wasser schwimmen und fortschwimmen und immer weiter schwimmen. Und 
sie glauben, sagt der Loißl, daß der Sarg ganz zuletzt an eine schöne 
Insel stoße. Da wacht dann das tote Zwerglein auf, zerschlägt mit seinem 
Hämmerlein das Glas und steigt ans Land und ist dann im Zwergen- 
himmel, Mutter. Und denkt nur, wie sonderbar die Zwerge sind, Mutter. 
Wenn sie ein kleines Kind kriegen, dann werden sie so traurig, ach, so 
traurig, und behängen sich mit Spinnenweben. Und, Mutter, wenn ein 
Zwerg stirbt und sie legen ihn hinein in den gläsernen Sarg, denkt nur,
	        
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